Unsere Welt wird immer digitaler – mit Smartphone, Sensortechnik und Big Data. Das Lernangebot kommt in den Unternehmen aber über klassische Workshops und Seminare oft nicht hinaus. Verschlafen wir die Trends und neuen Möglichkeiten im Lernen? Nele Graf, Professorin für Personal und Organisation an der Hochschule für angewandtes Management (HAM), ist der Meinung, dass die Personalentwicklung schon längst den Fokus verloren hat.

Angesichts des demografischen Wandels wird das Halten, Binden und regelmäßige Weiterbilden der Mitarbeiter immer wichtiger. Das sind eigentlich gute Voraussetzungen für eine schlagfertige, im Unternehmen stark positionierte Personalentwicklung. In der Realität schaut es aber oft anders aus. Da kämpft die PE oft um jede Ressource und um Anerkennung und muss gefühlt die eigene Existenz ständig rechtfertigen.

Veraltete Prozesse und Angebote

Vielleicht liegt das schwierige Standing daran, dass die Angebote und Leistungen in Personalentwicklung und Bildungsmanagement veraltet sind und am tatsächlichen Bedarf für die Ausbildung digitaler Kompetenzen vorbei gehen? Nele Graf schreibt in einem Artikel im Human Resources Manager (https://www.humanresourcesmanager.de/ressorts/artikel/die-personalentwicklung-hat-den-fokus-verloren-1329888328), dass das Bildungsmanagement oft weit entfernt ist von agilen Lernprozessen.

Tatsächlich sehe ich in den Unternehmen oft noch lange Planungszyklen, konservative Lernangebote und eher ein Abarbeiten von Bildungswünschen aus den Fachabteilungen. Ein aktives Übersetzen von Unternehmensstrategien in Bildungsangebote, schnelles Entwickeln, Produzieren und Bereitstellen von Lernnuggets und übergreifende Zusammenarbeit mit den anderen Unternehmensbereichen scheinen hingegen noch nicht zum Tätigkeitsprofil der PE zu gehören. Das sollten sie jedoch künftig!

Agile Lerneinheiten benötigt

Notwendig wäre eine gute Kombination von Arbeiten, Lernen und Wissensmanagement im Unternehmen. Nele Graf sagt in den Firmen einen Übergang von der klassischen, kataloggesteuerten Angebots-PE zu einer flexiblen, bedarfsgesteuerten Nachfrage-PE vorher. Für die PE bedeutet das vor allem die Forderung, individualisiertes Lernen zu ermöglichen. Kleine Bausteine und Module, die ad hoc aufgerufen werden können, statt mehrtägiger Seminarriesen, die Monate im Voraus gebucht werden müssen. Klassische Seminare werden vielleicht auch in Zukunft noch angeboten werden, der Selbstlernanteil wird aber sicher weit stärker ausgebaut werden müssen. Frau Graf wünscht sich zudem eine stärkere Strategiearbeit und ein bewussteres Steuern der Lern- und Unternehmenskultur.

Der Lerner wird künftig noch mehr Eigenverantwortung tragen. Er wählt nicht nur die Inhalte, sondern zunehmend auch die Lernformate, die Häufigkeit und die Intensität seiner Lernaktivitäten selbst aus. Damit dies funktioniert, benötigen die Mitarbeiter eine gewisse Selbstlernkompetenz – und regelmäßige Unterstützung und Anleitung durch die PE. Vom Bildungsorganisator zum Lerncoach, das ist eine klare Entwicklungslinie, die Nele Graf beobachtet.

Das Bildungsmanagement muss also nacharbeiten und die eigene Rolle schärfen. Besonders in Firmen, die von der Digitalisierung bereits stärker betroffen sind, scheint die Zeit des Abwartens nun vorbei. Wenn die Personalentwicklung den Anschluss an das digitale Arbeiten und Denken nicht schafft, wird sie auf der Strecke bleiben.