In der Digitalisierung sind Themen wie Innovation, Kreativität, Geschwindigkeit und Virtualität im Kommen. Aber was bedeutet das für den Führungsstil im Unternehmen? Geht’s noch so wie bisher?
Ferngesteuerte Jalousien, die Zugfahrkarte auf dem Handy, der Toaster brennt den Wetterbericht aufs Toast, Simulationsbrillen zeigen die Einrichtung des noch zu bauenden Hauses – die Digitalisierung unseres Lebens ist nicht mehr aufzuhalten und bringt viel Nützliches, aber auch scheinbar Unnützes zu Tage. Wie die unaufhaltsame Durchdringung im Lebensalltag der Menschen bestimmen diese Themen auch zunehmend den Unternehmensalltag: Daten als Kernstück der Digitalisierung sind überall verfügbar, Mitarbeitende sind unabhängig von Ort und Zeit handlungsfähig, Live-Meetings über Kontinente hinweg, virtuelle Feedbacks in Echtzeit und deren datenbasierte rasche Auswertung sind inzwischen selbstverständlich. Diese Entwicklungen machen das Arbeitsleben nicht nur leichter und transparenter, sondern auch komplexer: Damit diese Komplexität nicht den Blick auf das Wesentliche verstellt, brauchen die Unternehmen andere Strukturen und eine völlig neue Art des Umgangs miteinander.

Weiter wie bisher?

Sind sich die Führungskräfte ihrer Rolle in diesem Wandlungsprozess bewusst? Wie werden die Mitarbeiter in die neue Arbeitswelt „mitgenommen“? Fest steht: Einer zunehmend von Komplexität und Unsicherheit geprägten Arbeitswelt kann nicht mehr mit herkömmlichen, auf Kontinuität ausgelegten Methoden und Verhaltensmustern begegnet werden.
Führungskräfte verbrauchen derzeit einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Arbeitszeit mit Abstimmungen innerhalb von Hierarchien. Das muss sich ändern. Ziel muss es sein, flexibel, aktiv, anpassungsfähig und mit Initiative in Zeiten des Wandels und der Unsicherheit unterwegs zu sein, um schnelle und kompetente Entscheidungen im Sinne gemeinsamer Ziele und der Kundenzufriedenheit zu treffen. Dieses Vorgehen führt zu einer neuen Form von Führung und Zusammenarbeit.

Die Digitalisierung ist in einem Unternehmen keine Revolution von unten – im Gegenteil: Diese muss von ganz oben angeführt werden. Die CEOs und Führungskräfte sollten sich daher als Treiber im Digitalisierungsprozess verstehen und sich unter anderem folgende Fragen stellen:

  • Wie wirken sich Digitalisierung und steigende Vernetzung auf Unternehmen und Führungskräfte aus?
  • Wie lässt sich Leistungsfähigkeit in einer modernen, digital vernetzten Arbeitswelt sichern?
  • Wie können Unternehmen nachweisen, dass sie für die Mitarbeitenden attraktiv sind?
  • Welche Werkzeuge stehen den Führungskräften in ihrem Alltag zur Verfügung?
  • Und welche Haltung macht erfolgreiche Führung im digitalen Zeitalter aus?
Das Bild von sich selbst als Führungskraft

Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Studie „Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt“, die die LEAD Acadamy gGmbH in Kooperation mit der Unternehmensberatung company companions, der School of Public Policy an der Central European University in Budapest und dem Center for Leadership and Values in Society an der Universität St. Gallen durchführte. Die Projektpartner sprachen dafür mit insgesamt 31 Führungskräften verschiedener Hierarchiestufen aus der Wirtschaft. Über acht zentrale Fragen, wie die neue Führungspraxis in der digitalen Welt gestaltet werden kann, nähern sich die Autoren konkreten Handlungsstrategien. Diese laden Führungskräfte ein, die eigene Haltung zu reflektieren, und motivieren zum Ausprobieren neuer Werkzeuge.

Interessant ist in dieser Studie das Selbstbild der Führungskräfte. Sie beschreiben sich selbst mit Begriffen wie Seismologin, Intendantin, Sportdirektorin, DJ und Zen-Schülerin. Diese Vergleiche machen deutlich, dass die neue Führungsrolle nicht vergleichbar ist, mit der bisherigen Rollen-Wahrnehmung: „Zeitgemäße Führung geht davon aus, dass die innere Haltung ausschlaggebend ist für Erfolg oder Misserfolg bei der Anwendung von neuen Maßnahmen. Die eigentliche neue Fähigkeit, die es zu erlernen gilt, ist: Spannungsräume als solche zu erkennen und nicht der Illusion zu erliegen, dass eine einmalige Positionierung bereits für Klarheit und Kontrolle sorgt. Zeitgemäße Führung ist ein ständig neues Austarieren, Neuadjustieren und Oszillieren im multidimensionalen Spannungsraum, der die Wirklichkeiten der Unternehmen im digitalen Zeitalter ausmacht.“ (Lead Academy 2015)

Fünf Schritte

Die Führungskräfte müssen von den CEOs zuerst mit ins Boot genommen werden. Sie benötigen selbst eine möglichst klare Zukunftsvision, welche die Richtung vorgibt. Dann können sie ihren Mitarbeitenden die Digitalisierungsziele so konkret wie möglich vermitteln und sie rechtzeitig auf die damit verbundenen Prozessveränderungen vorbereiten. Das Institut für Performance Management der Leuphana Universität Lüneburg empfiehlt in seiner „toolbox für die Führung in der digitalisierten Welt“ fünf elementare Handlungsstrategien:

  1. WORKPLACE – flexibel in Ort, Zeit und Funktion: In dieser Always-on-Arbeitskultur achtet die Führungskraft auf ihre eigene und auch auf die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden, um ein Ausbrennen zu verhindern.
  2. COLLABORATION – Daten und Wissen teilen | Vom Ich zum Wir | Treffpunkt Cloud: Die Führungskraft unterstützt den Aufbau einer umfassenden digitalen Arbeitskultur.
  3. EMPOWERMENT – Mehr Partizipation, Demokratie und Verantwortung für den Einzelnen: Die Führungskraft macht ihre Mitarbeitenden im Netzwerk stark, versorgt sie mit Informatio-nen und vernetzt sie mit den richtigen Menschen.
  4. LEADERSHIP – Vernetzte, inspirierende und gezielte Führung: Die Führungskraft baut bei ihrer Führung auf Distanz auch ohne Face-to-face-Kontakt Vertrauen auf, beteiligt die Mitarbeitenden an Entscheidungen und bleibt für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden sensibel.
  5. CULTURE – Aggressiv innovativ | missionarisch visionär | Arbeit und Leben integrierend: Die Führungskraft sorgt für ein innovationsfreundliches Klima und motiviert die Mitarbeitenden zu kreativem und disruptivem Denken.

So machen sie ihren Mitarbeitenden Mut und zeigen, dass Wandel möglich ist. Unabdingbar ist dabei die Wertschätzung der Arbeit der Mitarbeitenden und ein echtes Verständnis ihrer Arbeitsweise, um aufzeigen zu können, wie Technologie neue Wege zum gemeinsamen Ziel liefern kann. Dabei ist es zentral, Empathie zu zeigen sowie offen und transparent zu agieren. So kann es gelingen, dass alle Beschäftigte den Kurs mittragen und gemeinsam, Schritt für Schritt, das gesamte Unternehmen nachhaltig und für alle gewinnbringend verändern und es in die digitale Zukunft führen.