Wie können Fach- und Führungskräfte sich auf die grundlegende Systemänderung im Rahmen der Digitalisierung einstellen und erfolgreich arbeiten? Was müssen Entwicklungsprogramme dafür leisten?

Wenn Sie sich mit Ihrem Unternehmen den Themen stellen wollen, die Sie für sich konkret aus dem sehr unscharfen Begriff der Digitalisierung herausarbeiten können – dann fragen Sie sich: Wo sitzt die digitale Kompetenz, wer kann Treiber sein? Das verläuft nicht notwendigerweise in Hierarchielinien. Vielleicht ist es das Management, vielleicht sind es aber die jungen und neuen Fachkräfte aus den Generationen Y und Z, die dort gedanklich viel weiter sind. Vielleicht ist es der technologische oder IT-Bereich, der den Trend quer in die Fachbereiche bringen kann. Vielleicht ist es das Marketing, dass sich im Online-Kommunikationsbereich das meiste Wissen über digitale Prozesse, Kanäle und Kundenverhalten angeeignet hat. Als Führungskraft stellt sich mir dann weniger die Frage, wie ich Treiber der Digitalisierung werden kann, sondern wie ich sie begünstige. Wie kann ich ihr Facilitator werden?
An einheitliche Lösungen für Unternehmen sollten wir dabei nicht glauben: Jedes Unternehmen, dass erfolgreich sein will, wird hier individuell vorgehen und systemisch. Und gerade in diesem Ansatz ist HR gefragt: Netzwerke hierarchieübergreifend zu etablieren, systemisches Denken und Handeln im Unternehmen zu implementieren und Führungskultur weiter zu entwickeln sind Expertise-Felder der HR-Arbeit und sollten von dort pro-aktiv beratend ins Management eingebracht werden.

Wie kann diese Entwicklung durch Personalleiter, HR Business Partner und Personalentwickler gestaltet werden?
Es ergeben sich durch den drastischen Trend zu mehr Digitalisierung und Automatisierung vier hauptsächliche Handlungsfelder:

  1. New Work Skills: Welche Angebote brauchen Führungs- und Fachkräfte für diesen Weg?
  2. Welche Bildungs- und Lerninhalte können automatisiert/digitalisiert werden?
  3. Personalplanung der Zukunft: welche Tätigkeiten werden automatisiert, welche neuen Rollenbilder entstehen?
  4. Unternehmenskulturentwicklung
New Work Skills: Welche Angebote brauchen Führungs- und Fachkräfte für diesen Weg?

Für die neue Arbeitswelt braucht es Angebote, mit denen wir unsere Persönlichkeitsstile und unser Verhalten im Umgang mit uns selbst und andern weiter entwickeln können: Selbstführung, Eigenverantwortung, Kommunikation auf Augenhöhe, Reflexion meiner Rolle im Kontext meiner Team-Kollegen und unseres gemeinsamen Wertschöpfungsprozesses.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Mitarbeiter von unterschiedlichen Ausgangsposition starten: die Unternehmerisch Denkenden, die schon immer mit den Hufen scharrten, um mehr Verantwortung übernehmen zu können; die Jungen Einsteiger, die mehr Spielraum einfordern und noch keine Erfahrung in der Übernahme von Verantwortung haben; die Undercover-Akteure, die bisher alte Firmenregeln auch mal umgangen haben, um die für den Kunden/den Markt richtige Lösung zu erreichen; die Angepassten, die sich in der alten Arbeitswelt so eingerichtet haben, wie es von ihnen gefordert wurde, und die eigene Entscheidungen und Verantwortung wieder erlernen können und dafür Ermutigung benötigen; die Führungskräfte, die einen neuen Blick auf ihre Mitarbeiter und Prozesse gewinnen und ihr Methoden-Repertoire um moderierende, konsensuale und agile Fähigkeiten erweitern sollen.

Welche Bildungs- und Lerninhalte können automatisiert/digitalisiert werden?

Persönlichkeitsentwicklung und etablierte Verhaltensmuster abzulösen, wird per Webinar und E-Learning nicht nachhaltig erfolgreich gelingen. Die persönliche Arbeit mit anderen, das Ausprobieren in der Gruppe, das Feedback und der Austausch mit den anderen lassen sich (noch) nicht digitalisieren. Wir wissen aus den Neurowissenschaften, dass für das Bilden und Einüben von neuen Verhaltensmustern multisensorische und körperliche Interaktion unterstützend und mitunter notwendig sind.
Mit digitalen Mitteln lassen sich die klassischen Formate verstärken: E-Learning-Vorbereitungssequenzen, Refresher-Webinare und Online-Programme, mit denen ich meinen Stoff und meine Aufgaben wiederholen und vertiefen kann, können die Transferleistung unterstützen und verstärken. In diesem Bereich können neue, hybride Angebote einen höheren Wirkungsgrad erreichen.

Personalplanung der Zukunft: Welche Tätigkeiten werden automatisiert, welche neuen Rollenbilder entstehen?

Eine zentrale Aufgabe von HR-Arbeit wird sein, den Wandel der Arbeit zu antizipieren. Das können wir uns als eine Art Trendforschung vorstellen: Welche Tätigkeiten werden als nächstes automatisiert? Welche weiteren Fortschritte erwarten Experten in 5 oder in 10 Jahren? In administrativen Bereichen und im Marketing werden schon bald Algorithmen zuverlässigere Arbeit abliefern als Menschen. In der Produktion werden die Maschinen und die Warenwirtschaft vernetzt und automatisch agieren. In der Logistik sind Roboter auf dem Vormarsch und vom selbstfahrenden LKW sind wir anscheinend auch nicht mehr weit entfernt.
Welche neuen Rollen entstehen dann? Wie viele neue System-Administratoren brauchen wir, wie viele Programmierer? Hier können bestimmte Entwicklungen vorbereitet werden:

Sie können Szenarien über den Personalbedarf der nächsten Jahre aufstellen.

  • Welche Fachleute brauchen sie neu im Unternehmen?
  • Welche Mitarbeiter sind für welche neuen Rollen geeignet?
  • Welche Entwicklungsmaßnahmen benötigen diese Mitarbeiter dafür?
Unternehmenskulturentwicklung

New Work bedeutet auch einen Kulturwandel und die künftigen technologischen Entwicklungen werden für dauerhaften Wandel sorgen, bei dem die Unternehmenskultur bestenfalls laufend weiterentwickelt wird. Das ist dann noch ein Kapitel für sich, das wir an dieser Stelle nicht aufschlagen.

In der Digitalisierung mehr Fokus auf den Menschen?

Es mutet paradox an, doch das Fazit drängt sich auf: Die Digitalisierung erfordert von uns, dass wir uns persönlich und menschlich weiterentwickeln, dass wir unsere Haltung zu uns selbst und anderen reflektieren und entwickeln. Vielleicht gerade weil unsere Kollegen in Zukunft noch mehr aus Software, Robotern und KI bestehen und weil über die Haltung und Persönlichkeit klar wird: welche Rolle nimmt der Mensch ein und welche Rollen können anders verteilt werden.

Sven Vogt CoachAutoreninfo:

Sven Vogt, Organisations-Change, Team-Change, Selbst-Change, www.sven-vogt.com