Wer 30 Jahre HR-Erfahrung hat, hat viel zu berichten! Erich R. Unkrig, der bei der Areva GmbH die Exzellenz-Programme und (HR-)Transformations-Projekte begleitet, erlebt das Personalmanagement zudem in einem besonders spannungsgeladenen unternehmerischen Umfeld. Im Interview zeigt er, dass eine gesunde Selbstreflektion und klare persönliche Leitprinzipien viel dazu beitragen können, dass einem Personaler auch in herausfordernden Situationen die Puste nicht ausgeht.

Anne Dreyer: „Personal kann jeder!“ – so war es kürzlich als Fragestellung im Magazin IMPULSE zu lesen. Wie sind Sie zu dieser Profession gekommen?

Mein „erster Beruf“ war der des Offiziers. Und zwölf Jahre militärische Führung haben sehr viel mit dem gemeinsam, was professionelle Personalarbeit bedeutet. Sachlich war das insbesondere: Szenarien vordenken, Ziele setzen, Aktionen planen, Entscheidungen treffen, die Einheit im Rahmen des Auftrags aufstellen, in Gang halten und entwickeln, Umsetzung und Leistung ermöglichen sowie die Dienstaufsicht (also Kontrolle) sicherstellen. Und auf der zwischenmenschlichen Ebene gehörte dazu: Motive aufzeigen, Zusammenhalt und Engagement fördern und so Kooperation und Committment bewirken. Und all dies aufgrund der Heterogenität der Geführten und der Komplexität der Herausforderungen (das Acronym VUCA kannten wir damals noch nicht!) mit einem starken Fokus auf das situative und effektive Führen.

Wenn man sich mit einem so beschriebenen Arbeitsfeld identifiziert und für das eigene Tun Bestätigung erfahren hat, dann liegt es nahe, bei einer Umorientierung zu schauen, wo man sich einbringen kann. Für mich war das ohne Wenn und Aber das Personalmanagement. Und gleich die erste Initiativbewerbung ein Jahr vor meinem Dienstende hatte Erfolg – was sicherlich viel Glück war!

Anne Dreyer: Sie sind jetzt einige Jahrzehnte als Personalmanager aktiv – macht Ihnen der Job heute immer noch Spaß?

Nun – beim Spaß würde ich gerne ein wenig differenzieren. Spaß meint als Wort ja das Vergnügen und die Freude, die man an und in einem Job empfindet. Vergnügen – also mich in angenehmer Weise mit allen HR-Themen zu beschäftigen – bereitet das nicht immer. Zur Verdeutlichung eine Metapher: Es ist oft schwierig, mit Reihern und Fröschen über die Stilllegung ihres Teiches zu diskutieren. Und professionelle Personalarbeit bedeutet oft, Liebgewonnenes in Frage zu stellen, Dinge anders zu machen und Veränderungen zu begleiten und zu controllen. Widerstände sind dabei normal; es gilt, sie zu überwinden und daraus resultierende Konflikte auszuhalten. Und das ist nicht immer ein Vergnügen. Aber es macht mir Freude (ein positives Gefühl, dass ich zu etwas Gutem beitrage), wenn in einem solchen Prozess Schritte in die bestmögliche Richtung gemacht und letztendlich für alle Stakeholder tragfähige Ziele erreicht werden. Lange Rede, kurze Zusammenfassung: Ja! – auch nach rund 30 Jahren HRM-Profession macht es mir der Job immer wieder Freude!

Anne Dreyer: 30 Jahre – eine lange Zeit! Was sind ihre Themen heute?

Wir leben in einer VUCA-Welt – unsere Branche merkt dies in einem besonderen, alle unternehmerischen Aktivitäten betreffenden Maße. Insoweit ist das, was wir heute machen, Teil eines strategischen Plans, der bereits 2011 vorgedacht wurde. Und der mit den zwischenzeitlich notwendigen Anpassungen (Mergers, Desinvestments, neue Geschäftsfelder etc.) konsequent umgesetzt wird. Um es ein wenig greifbar zu machen: Wir handeln nach dem sogenannten ECHO-Modell (mehr dazu gerne bei anderer Gelegenheit!). Das bedeutet auf der organisationalen Ebene unter anderem:

  • Wir schätzen und fördern Diversität.
  • Wir sind sensibel und reagieren auf das, was Pläne und Aktionen bei unseren Mitarbeitern auslöst.
  • Wir schaffen eine transparente Aufbau- und Ablauforganisation.
  • Wir pflegen eine in der Sache klare, wertschätzende Kommunikation.
  • Wir fördern die permanente Verbesserung und handeln intern wie extern im Streben nach Exzellenz.

Diese kurze Aufzählung beschreibt natürlich keine Arbeitsfelder; sie ist jedoch der entscheidende Rahmen für unsere Personalarbeit, sei es in der Personal- und Führungskräfteentwicklung, im operativen Personalmanagement oder beim Management von Transformationen.

Anne Dreyer: Schauen wir mal ein wenig zurück. Auf was sind Sie in Ihrem Job richtig stolz? Was ist Ihnen optimal gelungen?

Was meinen Sie mit Stolz? Stolz ist für mich das Gefühl einer tiefen Zufriedenheit mit sich selbst und auf andere, eine Art von Achtung meiner selbst, meines Teams und des „großen Ganzen“, in dem ich mich bewege. Und das hat etwas mit Handeln und dem damit einhergehenden Erfolg zu tun.

Was macht mich „stolz“? Da gibt es die private Facette: ich (resp. wir!) haben immer eine angemessene „Work-private-balance“ gefunden. Was durchaus eine Herausforderung darstellen kann, wenn es über lange Zeit nur gemeinsame Wochenenden gibt oder kritische Unternehmenssituationen die Energie fressen und man manchmal nicht abschalten kann. Aber auch die kollegiale Facette sorgt bei mir für Stolz, wenn Mitarbeiterinnen „Karriere machen“, persönliches Feedback geben und/oder „cross business“ den Kontakt nicht abreißen lassen. Last but not least: Stolz macht mich natürlich auch, wenn Prozesse und Werkzeuge mich überdauern – also ein Unternehmen nach meinem Wechsel mit dem, was implementiert wurde, weiterarbeitet.

Ob das, was mich stolz macht, immer optimal war? Das ist die Frage nach den Ergebnissen meines Handelns. Ich denke schon, wenn man darunter das in der konkreten Situation beste erreichbare Resultat (ggf. auch durch einen Kompromiss) versteht. Da mussten hier und da dann halt einige Abstriche von einer idealen Lösung, also dem, was das beste Denkbare gewesen wäre, gemacht werden.

Anne Dreyer: Wo Licht ist, da ist auch Schatten. An welcher Stelle sind Sie schon einmal grandios gescheitert?

Erfolg und Scheitern – was sie mit „Licht und Schatten“ treffend beschreiben – sind fest miteinander verbunden. Nur wer handelt, kann scheitern! An sich selbst, an den eigenen Zielen oder Ansprüchen, am Widerstand anderer etc. Wenn ich so nachdenke: „Scheitern“ gehört eigentlich nicht zu meinem Wortschatz. Ich denke eher in Misserfolgen oder an Misslingen, bspw. in Kontexten, in denen ich die Motive der Shareholder nicht richtig wahrgenommen oder interpretiert habe, Und dann ein Projekt „an die Wand gefahren“ habe – mit Konsequenzen für andere Stakeholder. Oder an Situationen, in denen mehr Empathie (Ich akzeptiere dich als Persönlichkeit! Und: Ich verstehe deine Gefühle, die diese Situation in dir auslöst!) für den Prozess hilfreich gewesen wäre.

Anne Dreyer: Und was haben Sie aus ihren Misserfolgen gelernt?

Die „lessons learned“ habe ich ja schon mit dem ECHO-Modell angesprochen. Ich habe für mich in rund 40 Jahren Führungs- und Managementpraxis verinnerlicht, dass eine zur Situation und zum Kontext passenden (Aus-)Balancierung von ECHO (= Empathy, Clarity, Honesty, Orientation) enorm dabei unterstützt, um Einzelne, Team und auch Unternehmen auch jenseits von unternehmerischen „Schönwetterperioden“ zu committen.

Anne Dreyer: Lassen Sie uns kurz in die Zukunft blicken. Welche Entwicklungen machen Ihnen eher Angst?

Angst sorgt bei uns für „Fight-or-Flight-Verhalten“. Und ist nur dann hilfreich, wenn ein „zu viel Angst“ nicht das Handeln blockiert noch ein „zu wenig Angst“ reale Gefahren und Risiken ausblendet. Auch ist es für mich ein situatives Thema und passt als Begriff für mich nicht zu Trends und Entwicklungen in der Zukunft. Insoweit würde ich lieber von dem sprechen, was bei mir für Besorgnis sorgt. Da sind natürlich die „nationalistischen Tendenzen“ bei Einzelnen, Teams und Ländern. Aber auch die zunehmenden Verständigungsprobleme mit den politischen und wirtschaftlichen „Eliten“, die in ihrer Rolle nach meiner Wahrnehmung zu einsame, kurzfristige und nicht immer belastbare Entscheidungen treffen. Und ein drittes Themenfeld: die Kluft zwischen Alt und Jung mit viel Gegenseitigem „nicht verstehen wollen“. Das macht mir Sorgen – es sind aber keine unlösbaren Themen.

Anne Dreyer: Wie gehen Sie mit diesen von Ihnen genannten Themen um?

Vielleicht ist mein Umgang damit zu wenig!? Ich versuche – soweit es in meinen Möglichkeiten liegt – zu diesen Themen und Verhaltensweisen ein „Vorbild“ zu sein. Nicht in dem Sinne, dass ich mir wünsche, dass jemand sich mit mir identifiziert und/oder dass er/sie meine Verhaltensmuster nachahmt oder nachzuahmen versucht. Sondern so, dass man mich wahrnimmt, sich gerne auch daran „reibt“ und so ein wenig über sich selbst reflektiert.

Anne Dreyer: Stellen Sie sich vor, sie hätten einige Wünsche frei. Was würden Sie in Ihrem Unternehmen oder im Business generell sofort verändern?

Es geht bei dem, was zu verändern ist, um Verhalten. Und das ändert man nicht kurzfristig und schon gar nicht sofort. Es würde mich freuen, wenn wir alle und Jede/r in seiner/ihrer Rolle mehr das, an sich sehr simple ECHO-Prinzip praktizieren.

Anne Dreyer: Sie haben viel Erfahrung. Welche Tipps können sie „Jung-Personalern“ mit auf den Berufsweg geben?

Studien zeigen, dass sich die meisten Menschen im Durchschnitt 7 Dinge auf einmal merken können, danach wird es schwierig. Insoweit sind meine 7 Tipps:

  1. Sorge für eine solide Wissensbasis in allen Disziplinen des Personalmanagements!
  2. Schaffe dir ein Grundwissen zu allen Nahtstellen der Profession HR!
  3. Nutze Optionen der Job-Rotation, um in den HR-Disziplinen Erfahrung zu sammeln!
  4. Gestalte deine Aufgaben so, dass Ergebnisse messbar und damit sichtbar werden!
  5. Sei sichtbar und gehe zu deinen Kunden („Gemba-walk“)!
  6. Führungskräfte sind „Personaler vor Ort“ – fordere und fördere sie in dieser Aufgabe!
  7. Lebe dein „ECHO“: Empathie, Klarheit, Aufrichtigkeit, Orientierung!

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Zu Areva: Die Areva-Gruppe mit Sitz in Paris ist ein börsennotierter, weltweit tätiger Technologie-Konzern. Die AREVA GmbH mit der Zentrale in Erlangen leistet einen wesentlichen Beitrag zum sicheren und wirtschaftlichen Betrieb von Kernkraftwerken. Denn das Unternehmen vereint zahlreiche kerntechnische Schlüsselkompetenzen. Dazu zählen die Elektro- und Sicherheitsleittechnik, die Instandhaltung und Modernisierung von Kernkraftwerken, die Entwicklung und Fertigung von Brennelementen sowie einzigartige Test- und Prüfeinrichtungen für Sicherheitsuntersuchungen. Darüber hinaus unterstützt das Unternehmen auch beim Rückbau von Kernkraftwerken.

Das Know-how aus Deutschland wird weltweit geschätzt. Daher findet Kerntechnik aus Deutschland Anwendung in zahlreichen Projekten: Die AREVA GmbH unterstützt Kunden im In- und Ausland bei der Instandhaltung von Kernkraftwerken oder modernisiert Anlagen umfassend.

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