In der HR ist Kommunikation entscheidend: mit den Lernenden, mit der Geschäftsführung, innerhalb der Abteilung. Allzu oft reden wir aber nicht miteinander, sondern eher aneinander vorbei. Darum: Mehr Dialog mit echten Emotionen, statt sachorientierter Aufgabenbesprechung.

Eigentlich könnte es so einfach sein. Wir hören, was uns eine Kollegin, ein Kollege zu sagen hat und antworten darauf. Wir besprechen ein gemeinsames Projekt, verständigen uns über die je eigenen Aufgaben und führen diese anschließend aus.
Leider ist es nicht so. Was wir hören ist oft das, was wir hören wollen. Was wir verstehen ist nicht unbedingt das, was gemeint wurde. Wir sind so oft der Überzeugung, unsere Mitmenschen zu verstehen, doch leider ist es eher ein Missverstehen. Diskussionen, Debatten und Besprechungen bestehen oft aus einem Wettkampf, welchen all jene gewinnen, die durch Argumentation, Rhetorik und Lautstärke sich Gehör verschaffen. Wer nicht mithalten mag, sich zurücknimmt, hat verloren. Was am Ende gemacht wird, ist meist nicht von allen gewollt. Und die Aufgaben, die durchzuführen waren innerhalb des Projektes, führten zu ganz anderen Ergebnissen als besprochen wurde. Entsprechend sieht die Umsetzung aus: Unmotivierte Mitarbeiter machen Dienst nach Vorschrift oder sabotieren gar die zuvor gefällten Beschlüsse.

Erfahrungen am MIT

Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts standen einige Wissenschaftler am Massachusetts Institut of Technology (MIT) vor einem ähnlichen Problem. Sie hatten zwar viele Sitzungen, Besprechungen und vereinbarten bestimmte Vorgehensweisen, doch fanden sich nicht alle Anwesenden in den Diskussionen und Beschlüssen wieder.
Dies änderte sich an dem Tag als in einer Gesprächsrunde jemand darüber berichtete, wie es ihm gerade ging. Welche Sorgen er sich machte wegen seiner Tochter, die schwer erkrankte und erst vor Kurzem in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Die Atmosphäre in dieser Besprechungsrunde veränderte sich mit einem Schlag. Auch andere Beteiligte äußerten sich über ihre momentane Stimmung und nachdem alle sich darüber verständigt hatten, konnten die anliegenden Themen unter völlig veränderten Bedingungen behandelt werden.
Der Quantenphysiker David Bohm, einer der Wissenschaftler am MIT schlug dann vor, diese Eingangsrunde immer wieder zu praktizieren. Gleichzeitig war auch der Wunsch aufgekommen, die Gespräche zu entschleunigen. Das Durcheinanderreden, das Ins-Wort-Fallen sollte unterbrochen werden. Jeder sollte zu Wort kommen können.

Wie lässt sich ein Gespräch entschleunigen?

In einer Dialogrunde wie wir sie verstehen, gibt es Rahmenbedingungen, die eine Verlangsamung des Gesprächs ermöglichen. Hierzu zählt, dass die Anwesenden im Kreis sitzen. In der Mitte, auf dem Boden, liegt ein Redeobjekt – ein Stein, eine Kugel aus Porzellan oder irgendetwas, was von der Person, die etwas sagen möchte, aufgehoben und an den Sitzplatz zurückgenommen wird. Aufstehen, in die Mitte laufen, Redeobjekt aufheben, zurückgehen und sich hinsetzen sind Aktivitäten, die der Verzögerung dienen. Die anderen Anwesenden warten ab, was passiert, was gesagt wird und beobachten sich dabei. Was hätte ich an dieser oder jener Stelle gesagt? Welche Gefühle löst das soeben Gehörte bei mir aus? Woran erinnert mich die Erzählung der Person, die gerade den Redestein in Händen hält?

Nach ihrem Beitrag legt die Person den Redestein zurück in die Mitte und nimmt wieder Platz. Ruhe tritt ein. Alle sind am Nachspüren, Nachdenken dessen, was soeben mitgeteilt wurde. Vielleicht möchte jemand etwas entgegnen oder ergänzen. Vielleicht möchte jemand Widerspruch einlegen und seine Sicht auf die Sachlage mitteilen. Dann steht diese Person auf und holt sich den Redestein, geht zurück zu ihrem Platz und spricht. Manchmal jedoch ist das, was dann gesagt wird, gar keine Antwort und setzt einfach nur eine weitere Sichtweise neben das soeben mitgeteilte. Oder es ist eine ganz andere, hiervon unabhängige Mitteilung, die jedoch auch Platz haben darf im großen Rund.

Spreche von Herzen und lass die Wurzeln dran

Im Verlauf eines solchen Dialogs haben alle Beteiligten die Möglichkeit sich mitzuteilen und gehört zu werden. Oder zu schweigen. Und selbst diejenigen, die schweigen sind wichtig und willkommen. Denn sie erzeugen mit ihrer Anwesenheit den sogenannten Container, einen imaginären Raum, der allen Dialogbeteiligten Schutz bietet. Schutz, Dinge zu sagen und mitzuteilen, die sonst nicht gesagt würden. Mit jeder neuen Dialogrunde entsteht mehr Vertrauen in diese Sicherheit. Menschen wagen zu sprechen, sich mitzuteilen, weil sie erfahren, dass es gut ist. So entsteht ein vielfältiges Bild unterschiedlichster Meinungen, Vorstellungen, Erfahrungen und Emotionen, die alle ihren Platz haben dürfen. Nichts muss wegdiskutiert und überwältigt werden.

Dialogprozesse können thematisch vorgegeben werden, um ein möglichst großes Spektrum von Meinungen, Ideen und Ansichten an den Tag zu bringen. Es können aber auch sogenannte generative Dialogprozesse sein, die ohne die Vorgabe eines Themas vonstattengehen. Dabei kommt es immer darauf an, von Herzen zu sprechen und die Wurzeln dran zu lassen. Das, was erzählt wird, hat mit mir zu tun und ich erkläre auch, warum ich es jetzt hier mitteilen möchte. Es geht nicht darum intellektuell zu glänzen und andere zu blenden. Es geht um ein ehrliches Miteinander.
So vergeht meist eine oder anderthalb Stunde(n) und wir reden und reden bis das Gespräch beginnt. Begleitet werden diese Dialogprozesse von ausgebildeten Dialogprozess Begleitern (engl. Facilitator), die eigentlich Dialogermöglicher sind. Zu Beginn leiten sie das Setting ein, geben ein paar Hinweise zum Ablauf, achten auf die Zeit und ziehen sich allmählich zurück, sind selbst Teilnehmende an der großen Runde im Dialogprozess.

Nachhaltige Effekte

Aus solche einer Erfahrung heraus gehen die Beteiligten anders mit ihren Mitmenschen um. Sie entwickeln eine dialogische Haltung sich selbst und ihren Mitmenschen gegenüber. Sie lernen im Zuhören, im Miterleben über den eigenen Denkhorizont hinwegzuschauen. Die Erfahrung der Vielfalt und des Möglichseins von bisher selbst nicht gedachten Gedanken bereichert. Die gemeinsamen Vorhaben, seien es Projektziele, Aufgabenstellungen in Abteilungen oder auch die täglichen Routinearbeiten lassen sich anders umsetzen, erscheinen in anderem Licht.
Wer aus solch einem Dialogprozess in seinen Arbeitsalltag zurückkehrt, geht anders um mit sich und seinen Kolleginnen und Kollegen. Natürlich wird es auch weiterhin Missverständnisse und Unklarheiten geben im Gespräch. Doch werden Menschen, die es aus dem Dialogprozess gewohnt sind, ihre eigenen Denk- und Verhaltensweisen zu reflektieren, viel eher an die Wurzeln gelangen. Sie werden Missverständnisse und Unklarheiten eher aufdecken und hinterfragen.

Mehr dazu unter www.dialogprozess.org

Zu den Autoren:
Dipl.-Psych. Kerstin Borgmann
studierte Linguistik und Psychologie. Seit sie gemeinsam mit ihrem Mann die Ausbildung zur Dialogprozessbegleiterin bei Freeman Dhority und Martina Hartkemeyer abschloss versucht sie mehr und mehr eine dialogische Haltung einzunehmen und auch in ihren beruflichen Alltag zu integrieren. Sie arbeitet in einem Unternehmen und freiberuflich.
Bessell ChristianiJoachim Bessell, M.A.
arbeitet in der Erwachsenenbildung und übt sich in einer dialogischen Haltung sowohl in den regelmäßigen Dialogprozessen als auch im beruflichen Alltag. Letzteres bedarf jedoch großer Geduld, da im Eifer des beruflichen Handelns manche kommunikativen Gepflogenheiten sehr dominant sein können.