Früher war Weiterbildung Luxus und oft nicht nötig, weil die Lehre oder das Studium ein Wissen vermittelt haben, das sich in den späteren Berufsjahren kaum geändert hat. Heute kann die Erstausbildung nur einen gewissen Grundstock liefern, der schnell veraltet und regelmäßig ausgebaut werden muss.

Das klingt nach einer großen und im wahrsten Sinne des Wortes auch lebenslangen Aufgabe. Aber Internet & Co. bieten heute auch ganz andere Möglichkeiten zum Lernen: andere Suchmechanismen und damit schnelleres Finden von Informationen, andere Lernsettings wie mobiles Lernen statt Gruppenschulung, sowie bessere Möglichkeiten zur Bildung von Lernketten und damit ein kontinuierlicheres Lernen, das noch näher an der Praxis ist.

Der Einzelne ist gefordert

Heute ist es nicht mehr so, dass die Berufsausbildung oder das Studium ein ganzes Leben lang vorhalten. Zahlreiche Studien zeigen, dass (abhängig vom Fachgebiet) ein Großteil des Wissens nach 2 bis 5 Jahren schon wieder veraltet ist. Aktuelle Kenntnisse und Fähigkeiten zu besitzen, die für den Arbeitgeber heute und in den nächsten Jahren attraktiv sind, ist jedoch für jeden Mitarbeiter ganz entscheidend, wenn er seinen Job längere Zeit behalten und gut erfüllen möchte.

Das bedeutet, der Einzelne benötigt vor allem zwei Dinge: Lernwillen und Veränderungsbereitschaft. Er muss sich selbst um die Aktualität seiner Kompetenzen kümmern und ist für seine eigene „Employability“ selbst verantwortlich.

Bekommt er Lernmöglichkeiten vom Unternehmen gestellt, sollte er diese auf jeden Fall annehmen. Bekommt er kein Training vom Unternehmen, kann er auf dem freien Bildungsmarkt nach passenden Weiterbildungen schauen. Egal ob Volkshochschule oder akademische Weiterbildung – jeder Kurs ist besser, als gar keiner. Oftmals besteht dann auch die Möglichkeit, die entstandenen Kosten über den Arbeitgeber, das Jobcenter oder andere staatliche oder europäische Programme wie zum Beispiel ESF zumindest teilfinanzieren zu lassen.

Gleichzeitig bietet diese hohe Eigenverantwortung auch mehr Chancen für den Einzelnen, da er ggf. eine größere Unabhängigkeit vom Arbeitgeber erreichen kann. Er kann frei Angebote auf dem privaten Bildungsmarkt oder einfach via Internet (Youtube!) nutzen. Er kann durch aktives Lernen seine Position innerhalb der Abteilung verbessern, indem er einen Wissensvorsprung vor den Kollegen aufbaut. Und er kann sich mit seinen guten Skills auch einfach woanders bewerben, wenn er das möchte.

Weiterbildung wird zur strategischen Aufgabe für die Unternehmen

Jedes Unternehmen muss sich heute aktiv darum kümmern, dass das Wissen der Firma insgesamt auf dem neuesten Stand bleibt. Das betrifft zum einen das Recruiting von neuen Mitarbeitern, die die nötigen Kenntnisse und das digitale Mindset idealerweise schon mitbringen sollen.

Aber auch die bestehenden Mitarbeiter müssen intensiv betreut werden. Hier kann das Unternehmen formale Lernmöglichkeiten schaffen und zum Beispiel Trainings, eLearnings, Workshops oder ähnliches anbieten. Dabei kann bewusst auf die verschiedenen Beschäftigtenklassen und Kompetenzkategorien eingegangen werden, um einen möglichst zielgenauen Kompetenzaufbau zu gewährleisten und Ungleichgewichte auf lange Sicht zu mindern.

Ebenso wichtig ist es jedoch auch, informelles Lernen in der Firma zu begünstigen. Das kann die Unterstützung des Praxisaustauschs unter den Kollegen durch Maßnahmen wie (Reverse) Coaching, Projektarbeit oder Co-Location betreffen, oder aber auf die Verbesserung der Lernhaltigkeit der einzelnen Jobprofile abzielen. Je besser und häufiger neue Inhalte am eigenen Arbeitsplatz verlangt werden und je mehr Lernaufgaben direkt im Arbeitsalltag übernommen werden können, desto intensiver und praxisnaher der Wissensaufbau. Dann kann es sein, dass die Mitarbeiter gar nicht mitbekommen, dass sie eigentlich an ihrem Arbeitsplatz permanent lernen. Sie haben vielleicht in den letzten Jahren keine klassische Weiterbildung absolviert, haben sich aber vielleicht in ein neues IT-System eingearbeitet, neue Prozesse aufgestellt oder sich selbstständig im Internet Lösungen für Probleme am Arbeitsplatz gesucht. Das wird häufig nicht als Weiterbildung wahrgenommen, weil der klassische Rahmen aus Trainer und Teilnehmern fehlt.

Um diese verschiedenen Anforderungen gut, professionell und effizient zu bewältigen, benötigen die Unternehmen eine durchdachte, strategische Herangehensweise. Es sollte genau erarbeitet werden, wer im Unternehmen in den nächsten zwei Jahren welche Fähigkeiten erwerben soll und wie er diese aufbauen kann.

Kann der Staat noch helfen?

Der Staat selbst hat nur eingeschränkte Möglichkeiten auf das lebenslange Lernen im Beruf einzuwirken, da dieser Bildungsbereich zu großen Teilen von der Privatwirtschaft übernommen wird.

Bisher wurde vor allem auf finanzielle Förderung wirtschaftlich schwächer gestellter Personen gesetzt, wie Arbeitslosen oder Geringverdienern. Diese haben sonst kaum Möglichkeiten, sich fortzubilden und ihren Marktwert als Arbeitskraft zu verbessern, daher ist das mit Sicherheit auch in Zukunft sinnvoll.

Für mich ist das aber insgesamt eine gesellschaftliche Fragestellung. Regelmäßiges Lernen sollte ein gesellschaftlicher Wert sein, der allgemein anerkannt ist. Das gilt auch und vor allem für berufliche oder berufsnahe Inhalte und Fähigkeiten. Bis heute ist die berufliche Bildung aber im Vergleich zur Allgemein- oder Hochschulbildung noch immer zweite Klasse. Verbessert sich jedoch die Wertigkeit berufsbezogener Abschlüsse und Qualifikationen, steigt vielleicht die Teilnahmebereitschaft in allen Beschäftigtenklassen weiter an. Reagiert das soziale Umfeld positiv auf meine Weiterbildung, kann das deutlich zum Lernerfolg beitragen.

 

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