Digitale Kompetenzen sind in aller Munde, überall sprießen Schulungsprogramme dazu. Höchste Zeit einmal zu hinterfragen, ob klassisches, organisiertes Lernen der richtige Weg ist, um digitale Kompetenzen zu erwerben.

Studien zeigen, dass viele Menschen Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien besitzen, obwohl sie nie an dezidierten Lehrveranstaltungen teilgenommen haben oder im klassischen Lernen auch keine digitalen Medien verwendet haben. Klassisch gelernt haben sie diese Fähigkeiten also nicht.

Digitalfrust schon in der Schule

Das beginnt bereits in der Schule. Laut PISA 2009 gaben 86 Prozent der 15-Jährigen an, dass sie zu Hause regelmäßig Computer benutzen, aber nur 55 Prozent nutzten Computer in der Schule (OECD 2010). Die Daten von Eurostat 2010 bestätigen dies. Dort nutzten 92 Prozent der 16- bis 24-Jährigen das Internet zu Hause, aber nur 47 Prozent arbeiteten damit in Bildungseinrichtungen. Bei Personen über 25 fiel dieser Unterschied noch deutlicher aus. Nur 4 Prozent der Befragten in dieser Altersklasse nutzen Computer im Rahmen formaler Weiterbildung. Eurostat fragte bereits 2007, wo die Personen ihre Fähigkeiten im Bereich IT aufgebaut haben. 71 Prozent der 16- bis 74-Jährigen gaben an, diese Fähigkeiten allein und durch Tun oder Ausprobieren erlangt zu haben. 67 Prozent sagten zudem, dass sie sie durch den Austausch mit anderen aufbauen konnten. Bereits 1994 konstatierte McClure: „Individuals in this emerging electronic society primarily learn on their own to be productive in and empowered by this new environment.”

Viele Benutzeroberflächen sind heute zudem intuitiv und können innerhalb kürzester Zeit ohne Anleitung selbst erlernt und beherrscht werden. So wird die Technik immer stärker zum Medium und weniger zur eigentlichen Lernaufgabe.

Vom Lernen zur Verwendung

Als Beispiel sei hier die ‚digital literacy‘ angeführt. Dieser Ansatz, der sich an das lesen und schreiben Lernen anlehnt, überträgt dessen Grundprinzipien auf das Beherrschen digitaler Medien. So beginnen Kinder zum Beispiel mit leichten, kurzen Textbeispielen aus ihrem direkten Lebenskreis und arbeiten sich langsam zu abstrakten Themen vor. Steigt die Lesefähigkeit ändert sich demnach das Ziel des Lesens. Diente es zu Beginn im Wesentlichen dazu, besser und flüssiger lesen zu können, wird es immer mehr zum Medium der Informationsgewinnung. So können auch die Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Technologien anfangs vor allem der Gewinnung von digitaler Erfahrung dienen, sich dann aber zu einem Mittel für die Erstellung und Generierung neuer Ideen und Produkte werden.

Erfahrungen aufbauen

Der Erwerb digitaler Kompetenzen sollte also erfahrungsbasiert sein und läuft in der Regel über die Einbeziehung digitaler Tools und Anwendungen ab. Dient ein erstes eLearning zu Beginn vielleicht vor allem dazu, das Online-Toll kennenzulernen und die Interaktion auszuprobieren, steht in der Regel bereits im nächsten Modul der Inhalt des eLearnings im Vordergrund. Die Online-Wissensvermittlung ist dann bereits bekannt und der Lerner kann ich auf die eigentlichen Inhalte konzentrieren. Die Software wird zum bloßen Lernmedium und Hilfsmittel.

Fazit: Digitale Kompetenzen sollten im Tun aufgebaut werden, idealerweise nebenbei. Interessanter Content wirkt oft viel attraktiver, als das Kennenlernen von Tools oder Systemen.