Bildungsmanagement, also das systematische Steuern und Ermöglichen von Lernen im Unternehmen, schreiben sich Unternehmen gern auf die Fahnen. Tatsächlich setzen es aber nur wenige konsequent um. Warum? „Wir sind zu klein.“ „Das ist bei uns viel zu komplex.“ „Unsere Branche ist nicht so weiterbildungsaffin.“ Solche und ähnliche Ausreden höre ich immer wieder. Deshalb bin ich der Frage, was Größe und Branche tatsächlich mit der Weiterbildung zu tun haben, auf den Grund gegangen.
Im Deutschen Bildungspreis arbeiteten wir jahrelang mit vier Kategorien:
- Dienstleistung kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
- Dienstleistung Großunternehmen
- Produktion kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
- Produktion Großunternehmen
In jeder dieser Kategorien haben sich über die Jahre zahlreiche Unternehmen beworben, über 600 insgesamt. Jedes Unternehmen hat einen umfangreichen Fragebogen mit über 100 Items ausgefüllt zu seinem Bildungs- und Talentmanagement. Diese Bögen zeigen sehr gut, wo die Firmen bereits stehen, also wie professionell sie ihre Weiterbildung bereits abwickeln.
Die Kategorien erlauben nun eine Auswertung sowohl grob nach der Branche, als auch nach der Unternehmensgröße.
Als wir mit dem Bildungspreis gestartet sind, erschien uns eine Aufteilung nach Dienstleistung und Produktion sinnvoll, da wir annahmen, dass Weiterbildung beim Dienstleister oft einfacher ist, weil zum Beispiel überwiegend PC-Arbeitsplätze vorhanden sind. Produktionsunternehmen schienen es schwieriger zu haben mit Schichtbetrieb und großen Führungsspannen.
Die Auswertung zeigt jedoch, dass der Unterschied in den Ergebnissen sehr gering, um nicht zu sagen vernachlässigbar ist. Dienstleistungs- und Produktionsunternehmen arbeiten ähnlich professionell an der Entwicklung ihres Personals.
Das ist im Nachhinein aus nicht überraschend, denn in den Audits bei den Unternehmen vor Ort wurde mir klar: Die Aufgaben in PE und Bildungsmanagement sind über alle Branchen hinweg die gleichen. Es geht immer um das Tracken von Fähigkeiten und Kompetenzen, das Ermitteln des Bildungsbedarfs, das Planen und Durchführen von Maßnahmen, um Erfolgsbetrachtung sowie die spezielle Ausbildung von Führungskräften und Nachwuchs. Aspekte wie Schichtarbeit, Bereitschaftsdienst, der Anteil Ungelernter, Saisonarbeit oder häufige Auslandseinsätze beeinflussen die Weiterbildung natürlich schon. Allerdings nicht im Sinne eines limitierenden „Geht nicht!“, sondern vielmehr als Unternehmensspezifika mit denen die Bildungsverantwortlichen professionell umgehen können.
Anders ist es bei der Größe. Hier ergaben die Auswertungen des Deutschen Bildungspreises, dass sich große und kleine Unternehmen erheblich unterscheiden. Großunternehmen erfüllen deutlich mehr Anforderungen aus dem Qualitätsmodell des Bildungspreises.
In KMU arbeitet der Personalentwickler häufig allein oder es gibt nur sehr kleine Teams. Mit steigender Mitarbeiterzahl erhöht sich in der Regel auch die Ressourcenausstattung der Personalabteilung und sie kann mehr Baustellen anpacken, mehr Tools einführen, mehr Prozesse definieren. Das muss HR aber auch, denn das Bildungsmanagement wird ja nicht einfacher. Richtig gutes Bildungsmanagement ist komplex und bedeutet einen gewissen Aufwand, die Weiterbildung aller Mitarbeitergruppen mit Weitblick zu planen und umzusetzen. Je mehr Mitarbeiter dabei zu berücksichtigen sind, desto schwieriger.
Es überrascht daher nicht, dass Großunternehmen tendenziell öfter mit Karrieremodellen oder Potentialanalyse arbeiten, umfassende Bildungskonzepte ausarbeiten und vielfältige Tools und Leitfäden zur Verfügung stellen. Gleichzeitig kann ich aber auch nicht behaupten, dass das Bildungsmanagement in KMU immer und in allen Bereichen weniger ausgeprägt ist. Im Mittelstand wird häufiger mit Bildungszielen gearbeitet. Die Maßnahmen werden insgesamt oft sehr sorgfältig ausgeplant. Die geringere Größe erlaubt oft eine intensivere Betreuung und Einbeziehung der Mitarbeiter ins Bildungsmanagement, sowie eine individuellere Führungskräfteentwicklung. Wir hatten noch nie Bauchschmerzen, den Deutschen Bildungspreis in den KMU-Kategorien zu vergeben, weil wirklich jedes Jahr exzellente Bewerber dabei waren.
Große und kleine Unternehmen haben also ihre ganz eigenen Herausforderungen im Bildungsmanagement und sicher unterschiedliche Methoden bei der Abwicklung der Weiterbildung. Eine Ausrede, sich nicht um ihr Bildungsmanagement zu kümmern, haben aber beide nicht! Denn egal wie groß und egal aus welcher Branche – es gibt wohl heute kein Unternehmen mehr, dass es sich langfristig leisten könnte, die Fähigkeiten und Kenntnisse seiner Mitarbeiter brach liegen zu lassen.
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