So oft wird von Personalern beklagt, dass die Unterstützung der Unternehmensleitung fehlt, um HR-Themen durchzubringen. Umso besser, wenn der Geschäftsführer selbst der erste Personalentwickler im Unternehmen ist! Bernd Bogert von der St. Gereon Seniorendienste gGmbH ist Geschäftsführer mit starker HR-Brille und beweist im Interview: Es geht vieles, wenn man es nur will und konsequent umsetzt. Auch in einer schwierigen Branche wie der Altenpflege.

Wie sind Sie zum Thema Personal gekommen?

Seit ca. 30 Jahren arbeite ich als Geschäftsführer in der Altenhilfe. Im Fokus der Arbeit war immer der Bewohner. Es gab kaum Regeln und wir konnten kreativ arbeiten. Das war für alle ein gutes Gefühl – die Arbeit hat Spaß gemacht. Dies hat sich in den letzten 10 Jahren ausgelöst durch Pflegeskandale sehr verändert. Der Berufsalltag in der Pflege ist durch Gesetze, Verfahrensanweisungen, Einhaltung von Standards, Dokumentationsvorschriften usw. völlig überreguliert. Dies nimmt insbesondere den Pflegekräften die Freude an der Arbeit. Sie müssen nur noch funktionieren und es gibt wenig Platz und Raum für eigene Ideen. Um die Freude an der Arbeit zu erhalten habe ich vor ca. 8 Jahren einen Paradigmenwechsel bei den St. Gereon Seniorendiensten eingeleitet. Im Fokus unserer Arbeit stand nicht mehr der Bewohner alleine, sondern im gleichen Maße der Mitarbeiter. Alle Werte, die für unsere Arbeit wichtig sind, wie z.B. Wertschätzung, Vertrauen, Respekt, Transparenz, Fürsorge, Barmherzigkeit wurden 1 zu 1 auf die Mitarbeiter übertragen. Daraus haben sich dann konkrete Dinge entwickelt, die dafür sorgen, dass die Mitarbeiter gute Arbeitsbedingungen haben. Und gute Arbeitsbedingungen sind die Voraussetzung für ein gelingendes, glückliches Leben.

Warum macht Ihnen der Job heute immer noch Spaß?

Ich liebe die Herausforderung und ich liebe es Ziele zu erreichen. Die große Herausforderung in der Pflege ist es, Mitarbeiter für diesen Beruf zu begeistern und vor allem, die „richtigen Mitarbeiter“ zu finden und zu halten. Wir bilden aktuell über 200 überwiegend junge Menschen zu Pflegefachkräften aus. Davon können wir nur einen kleinen Teil übernehmen. Es macht Spaß zu sehen, wie die Schüler sich entwickeln und nach ihrem Abschluss einen sicheren Arbeitsplatz mit einer sehr guten Perspektive haben. Abgesehen davon profitieren aber auch die Bewohner und Mitarbeiter unserer Einrichtungen von den vielen Auszubildenden. Wir haben vor allem wieder Zeit füreinander. Zeit für Zuwendung.

An was arbeitet Ihre HR gerade?

Wir haben gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung und den Mitarbeitern eine sehr gute Arbeitsplatzkultur entwickelt, die es zu halten gilt und die wir gemeinsam weiterentwickeln. Ein Aspekt dabei ist, dass wir die fachlichen Karrieren weiter fördern. Einerseits brauchen wir verstärkt fachlich hochqualifizierte Mitarbeiter, andererseits fördern wir die persönliche Entwicklung. Ein Beispiel: Auch, wenn wir selbst keine „Pflegedienstleitungen“ mehr brauchen, da alle Stellen besetzt sind, finanzieren wir die Ausbildung z.B. zur Pflegedienstleitung. Der Mitarbeiter braucht keine Verpflichtung uns gegenüber einzugehen. Es dient primär seiner persönlichen Entwicklung. Wir haben in einigen Fällten bereits die Erfahrung, dass diese Mitarbeiter trotzdem bei uns im Unternehmen bleiben.

Auf was sind Sie in Ihrem Job richtig stolz? Was ist Ihnen optimal gelungen?

Wir haben in diesem Jahr zahlreiche Auszeichnungen für unser Personalmanagement erhalten: u.a. Deutscher Bildungspreis; Deutscher Unternehmenspreis Gesundheit; Deutschlands beste Arbeitgeber. Diese Auszeichnungen sind auch gleichzeitig ein Versprechen an die Mitarbeiter, diesen Weg weiter fortzuführen zumindest aber zu halten.

An welcher Stelle sind Sie schon einmal grandios gescheitert?

Ich bin eher ein ungeduldiger Mensch, der sich die Dinge fertig denkt, ohne die Beteiligten mitzunehmen. Bei der Umstellung unserer stationären Einrichtungen auf das Hausgemeinschaftsprinzip (kleinräumige Wohngruppen für die Bewohner mit der Möglichkeit seine Lebensqualität selbst zu gestalten) habe ich übersehen, diese sehr gute Idee mit den Mitarbeitern, den Bewohnern und den Angehörigen zu erarbeiten. Die Folge war, dass es eine Abstimmung mit den Füßen gab. Ein für uns sehr ungewohnter hoher Krankenstand von über 7%. Die Bewohner und Angehörigen waren unzufrieden und es gab einige Auszüge.

Erst nach ¾ Jahr hatte sich die Lage beruhigt und inzwischen sind Hausgemeinschaften in allen Pflegeheimen vom Gesetzgeber gefordert.

Was haben Sie daraus gelernt?

Zwei Dinge:

  • etwas mehr Gelassenheit, denn manche Dinge brauchen Zeit
  • eine gute Idee wird sich auf Dauer durchsetzen

Welche Zukunftsentwicklung macht Ihnen eher Angst?

Konkret habe ich keine Zukunftsängste. Es ist eher spannend und aufregend, was auf uns zukommt, z.B. in der digitalen Welt. Nicht alles wird für uns gut sein. Ich bleibe jedenfalls neugierig

Wie gehen Sie damit um?

Ich bin Rheinländer. Das Rheinische Grundgesetz hat für alle Lebenslagen wunderbare Sprüche:

  • “Et bliev nix wie et wor” also “Es bleibt nichts, wie es war.”: Sei offen für Neuerungen
  • „Et kütt, wie et kütt und et is noch emmer joot jejange“ also “Es kommt, wie es kommt und es ist bisher noch immer gut gegangen.”: Wir wissen, es ist Murks, aber es wird schon gut gehen.

Was würden Sie in Ihrem Unternehmen oder im Business generell sofort verändern, wenn Sie es könnten?

Für eine viel bessere Bezahlung der Mitarbeiter sorgen. Denn auch durch Geld wird die Wertschätzung einer Arbeit gezeigt. Leider spielen da die öffentlichen Kostenträger (noch) nicht mit. Da wird sich aber in einigen Jahren ändern, wenn der Fachkräftemangel noch größer wird.

Letzte Frage: Welchen Tipp würden Sie „Jung-Personalern“ mit auf den Berufsweg geben?

Nehmt Euch selbst nicht so wichtig.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Zu den St. Gereon Seniorendiensten: „Als kirchlicher Träger haben wir eine besondere arbeitsmarktpolitische Verantwortung und eine Verpflichtung uns den vermeintlich „Schwachen” in der Gesellschaft zuzuwenden. Insbesondere Jugendliche ohne Ausbildung, Alleinerziehende ohne Arbeit, ältere Mitarbeiter, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Einschränkungen, Menschen aus sozial schwachen Verhältnissen wollen wir durch entsprechende Maßnahmen qualifizieren, um ihnen den Einstieg in eine Ausbildung zu ermöglichen bzw. um Ihnen eine Beschäftigung zu ermöglichen.” (Quelle: Leitbild St. Gereon)