Das Vorgehen bei der Digitalisierung von Lernen hängt ab von den Lernzielen und der Teilnehmergruppe. Diesmal: Lernformate der Kategorie „Echte Kompetenz“

Bei der Digitalisierung von Lernmethoden gibt es keine goldene Regel. In dieser Reihe werden drei wesentliche Formate und die dafür jeweils passenden Methoden zur Digitalisierung vorgestellt.

3. Kompetenzentwicklung

Bislang kaum digitalisiert ist einer der wichtigsten Bereiche, nämlich die ganzheitliche Aus- und Weiterbildung bzw. die gezielte Mitarbeiterentwicklung. Dieser zentrale Bereich der Personalentwicklung, der auf Persönlichkeit und Soft Skills abzielt, wird im Schwerpunkt noch immer durch Präsenztrainings abgedeckt. Grund dafür ist, dass erst mit der Verbreitung des videobasierten Lernens auch für diese anspruchsvollen Themen entsprechende digitale Formate entwickelt werden konnten.
Vorreiter bei der Erstellung von Onlinemedien für die selbstgesteuerte oder auch selbstorganisierte Kompetenzentwicklung waren Anbieter wie Coursera, Udacity, EdX und Udemy aus dem Silicon Valley oder die zeitgleich in Deutschland entstandenen Medienunternehmen Lecturio und Pink University. All diese Anbieter setzen schwerpunktmäßig auf das Medium Video, also auf ein Medium, das der 1:1 Situation im Präsenztraining am nächsten kommt. Die Akzeptanz für diese Lernform ist bei den Lernenden hoch, weil sie auf Augenhöhe angesprochen werden und weil Bewegtbild, ähnlich wie das Schritt für Schritt entstehende Bild an der Flipchart, für bessere Behaltensleistung sorgt.
Ganz schnell hat sich aber auch gezeigt, dass es für die „Übersetzung“ von Präsenztrainings in digitales Lernen keine automatisierbaren Prozesse gibt. Mehr noch zeigen die Erfahrungen der Hersteller von Online-Trainings und MOOCs, dass die Aufbereitung des Wissens in digitaler Form eigenständige Expertise und die Entwicklung neuer Lernformate erfordert. Überwogen anfänglich noch die „Talking Heads“, also nachrichtensprecherähnlich inszenierte Experten, so zeigte sich schon bald, dass auch für das Lernen am Bildschirm ein sinnvoller Medien- und Methodenmix notwendig ist.
Heute werden Online-Medien, die der Kompetenzentwicklung dienen, multimedial aufgebaut:

  • Lerner werden von professionellen Moderatoren durch das Thema geführt.
  • Realistische Spielszenen veranschaulichen richtiges oder falsches Verhalten.
  • Erklärfilme veranschaulichen komplexe Sachverhalte.
  • Übungen helfen bei der Einübung und Verstetigung des Wissens.
  • Transferaufgaben begleiten die Lernenden dabei, das Gelernte in der Praxis anzuwenden und so Schritt für Schritt Kompetenz aufzubauen.

„Digitalisierung“ erfordert hier also weniger einen technischen Prozess, als vielmehr anspruchsvolle Denkarbeit. Bücher lassen sich digitalisieren, indem man sie auf einen Scanner legt, Präsenzseminare nicht. Das mancherorts gemachte Versprechen, Lernmedien „industrialisiert“ herstellen zu können, weist auf jeden Fall in die Irre. Die Skaleneffekte der „Digitalisierung“ der betrieblichen Weiterbildung ergeben sich nicht in der Herstellung, sondern im Rollout. Damit verhält es sich mit der Herstellung von nachhaltigen Lernmedien ähnlich, wie mit der Herstellung von Literatur oder Musik. Die Herstellung erfolgt – unter Zuhilfenahme modernster Technologien – in Handarbeit. Ziel ist das möglichst perfekte Einzelstück, das dann digital unbegrenzt verbreitet werden kann.

Zusammenfassung der Reihe „Digitalisierung von Lernmedien“

Die digitale Transformation der Aus- und Weiterbildung muss deshalb mit einer Analyse der Lern- und Kompetenzziele beginnen – nicht mit der Übersetzung der Präsenzinhalte in digitale Medien. Im nächsten Schritt werden die Wissens- und die Kompetenzziele operationalisiert. Auf dieser Grundlage werden dann die jeweils passenden Formate gewählt – und zwar nicht auf der Achse „analog-digital“ sondern auf der Achse „sinnvoll – nicht sinnvoll“. Dabei finden Methoden wie Lernpartnerschaften genauso Berücksichtigung wie Social-Bots, 24/7 verfügbare Onlinetrainer und das ganze Arsenal der Formate für die selbstgesteuerte Kompetenzentwicklung. Wenn es dann noch gelingt, den Mitarbeitern diese Angebote auf einer Plattform zur Verfügung zu stellen, die in Sachen Userexperience den B2C Plattformen ebenbürtig ist, kommt der größte Shift, den die Digitalisierung erfordert: Vertrauen in die Mitarbeiter zu haben, diese Angebote zu nutzen. Immer im Bewusstsein dessen, dass es nur einen einzigen Lernmotivator gibt – den Lernbedarf.

Wolfgang Hanfstein

 

Autoreninfo:

Wolfgang Hanfstein, Dipl. Sozialwissenschaftler, Leiter Corporate Digital Learning der Pink University, www.pinkuniversity.de