Weiterbildung ist oft auch ein beliebtes Mittel im Change Management: Menschen informieren, vorbereiten, fit machen. Dabei ist der Begriff Change heute out. Stattdessen heißt es neu Re-Invention.
Inhaltlich scheint sich nichts zu ändern – Re-Invention nutzt das gleiche Methodenportfolio wie das klassische Change Management. Nur der Name ist neu. Ich habe mich bei einem großen und seines Zeichens innovativen Software-Anbieter schlau gemacht, was es damit auf sich hat.
Zwischen den Zeilen
Change, also Veränderung, ist als Begriff anscheinend stark damit verbunden, etwas Bestehendes zu modifizieren. Damit würde implizit auch signalisiert, dass das Bestehende nicht mehr gut oder nicht mehr gut genug sei. Ein Veränderungsprozess würde immer eine Abkehr vom Alten, hin zu etwas Neuem und im Idealfall Besseren darstellen. Das bedeutet aber auch, dass alles, was man bis zu diesem Punkt getan hat, quasi schlecht oder nicht ausreichend gewesen sei.
Um genau diesen Eindruck, dass man bisher in die falsche Richtung gelaufen sei, zu verhindern, wird nun stattdessen das neue Wort Re-Invention, also so etwas wie Überarbeitung oder Neuentwicklung, eingeführt. Es geht damit nicht mehr darum, Altes hinter sich zu lassen, sondern sich selbst, Prozesse, Strukturen etc. neu zu erfinden. Natürlich würde damit auch das Alte abgeschafft, habe ich erfahren, das Wort fokussiere jedoch stärker auf den Prozess der Neufindung und hätte insgesamt eine positivere, kreativere Konnotation.
Was ist nun davon zu halten? Also zum einen denke ich mir: Och nö! Gerade dann, wenn auch der letzte Mitarbeiter und der letzte Vorstand verstanden haben, was Change bedeutet und was in diesem Zusammenhang von ihnen erwartet wird, ändern wir die Begrifflichkeiten. Wie viele Jahre soll es jetzt wieder dauern, bis wir den neuen, kreativen Verständnisraum in allen Köpfen hergestellt haben?!
Was machen wir jetzt damit?
Dann denke ich mir: Was ist denn so schlecht daran, das Alte bewusst hinter sich zu lassen? Nichts, was wir tun, ist für immer. Sich neu auszurichten und eine andere Richtung einzuschlagen, ist doch normal in allen Lebensbereichen. Nur weil etwas gestern gut und richtig war, heißt es doch nicht, dass es morgen immer noch das passende Vorgehen ist. Wenn die Rahmenbedingungen sich ändern (was sie ja aktuell mit der Digitalisierung ständig tun), müssen wir auch unsere Strategien und Verhaltensweisen anpassen. Raus mit dem Alten, her mit dem Neuen! Warum sollten wir dann so tun, als wäre dem nicht so? Warum um den heißen Brei reden?
Und: Altes loszulassen tut wahnsinnig gut! Das kennt jeder, der zu Hause schon einmal ausgemistet hat, Fotos vom fiesen Ex rituell verbrannt hat oder auf seiner To-Do-Liste mit tiefer Befriedigung jeden Tag die erledigten Aufgaben abhakt. Es ist ein Aufräumen im Kopf, welches gesund und notwendig ist, um uns wieder neu auf das Kommende einstellen zu können.
Sicher, wie wir das Ganze kommunikativ und argumentativ verpacken, ist eine andere Frage. Aber auch ein guter Change Manager weiß, dass er mit dem Status Quo sensibel umgehen muss. Wertschätzung für bisherige Leistungen gehört auch im Change zu den wichtigsten To Dos.
Deshalb: Ich verweigere mich! Ich will den guten alten Change nicht loslassen. Ich bleibe dabei. Re-Invention! Pffff! Da muss mir erstmal einer zeigen, dass es wirklich besser ist, bevor ich mich hier einen Millimeter bewege. Wahrscheinlich ist es sowieso in ein paar Monaten schon wieder vom Tisch.
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