Jürgen Niemann von better HR weiß: Management by Objectives galt als Schlüssel für erfolgreiche, weil den Erfolg des Unternehmens planbar machende Führung. Im Gastbeitrag zieht er kritisch Bilanz zur variablen Vergütung.
Rationalität war immer Trumpf: Ein Unternehmen, als Organisation mit rationalem Zweck (“Gewinnerzielungsabsicht”) ließe sich durch rationales Verhalten seiner Beschäftigten ohne (emotionale?) Umwege zum Erfolg führen. Neben Rationalität war das Streben nach ökonomischem Vorteil wesentlicher Teil des Menschenbildes, das hinter diesem Führungsverständnis und den damit verbundenen Management- und Führungsinstrumenten stand.
Um es nicht kleinzureden: Dieses Verständnis barg durchaus den Vorteil der Planbarkeit, Berechenbarkeit, Rationalität und – in Maßen – der Beteiligung der Beschäftigten am Erfolg. Denn: Wer nachweislich durch sein Handeln, das in Zielvereinbarung und -erreichung messbar gemacht wurde, auf den Erfolg einzahlte, wurde belohnt. Er oder sie bekam so die Gewissheit (was mehr ist als nur das Gefühl), Beteiligter an den Geschicken des Unternehmens zu sein. Ferner konnte sich der Mitarbeiter auf die vereinbarten Ziele und deren Erreichung berufen, wenn es um die Einschätzung der eigenen Leistung ging. Leistung wurde objektivierbar und entzog sich so dem Gutsherrenprinzip.
Komplex wird kompliziert
Mit der Zeit wurden Zielvereinbarungen und die daran orientierten Vergütungsmodelle allerdings immer komplexer, um nicht zu sagen, komplizierter: Es wurde zwischen STI (short term incentive) und LTI (long term incentive) unterschieden. In Kapitalgesellschaften liefen stock option-Modelle parallel oder waren Teil mindestens des LTIs.
Der STI, der in der Regel das Geschäftsjahr als Bezugszeitraum hatte, wurde auf Basis der Erreichung von Geschäftszielen und persönlichen Zielen gezahlt, wobei in Konzernen noch einmal zwischen Konzern- und Unternehmensbereichs- oder Geschäftsfeldzielen differenziert wurde. Die persönliche Komponente des STIs wurde in harte (überwiegend monetäre oder Meilensteinziele) und weiche (Kooperations- und Führungsverhalten) Ziele unterteilt. Letzteres ein unternehmenskultureller Fortschritt, rückte so doch das Thema Mitarbeiterengagement stärker in den Fokus.
Beim STI, dessen Auszahlung an den Geschäftserfolg (die Wertsteigerung) über mehrere Perioden (Jahre) gekoppelt wurde, war nicht immer klar, welcher Zweck mit ihm verfolgt wurde: Ging es in erster Linie darum, die Führungskräfte auf langfristige Ziele zu orientieren, sie zu nachhaltiger Führungsleistung zu motivieren? Oder um deren Bindung? Wer als Führungskraft mehrere Jahre auf die Auszahlung des LTI wartet, springt nicht leichtfertig ab …
Aus Erfahrung besser werden
Nach nahezu 40 Jahren Erfahrung in deutschen Unternehmen mit dieser oder jener Variante des Systems ist Ernüchterung eingetreten. Nicht nur, dass sich in der Motivation des Managements und der Beschäftigten die in der variablen Vergütung gesetzten Anreize recht wenig niederschlugen, auch wurden gerade Führungskräfte in Konzernen auf konfligierende Ziele verpflichtet (der Behaviourist würde sagen konditioniert …). Was zu einiger Verwirrung in der Führung und Missmut im Top-Management führte. Prominente Beispiele seien hier höflichkeitshalber verschwiegen. Dann gab es in nicht wenigen Unternehmen Diskussionen zu Auszahlung und oder Höhe des LTIs. Gerechtigkeitsdebatten gab es zu STI, LTI, der
Fairness der Ziele, die hinter beiden lagen, und vielem mehr ohnehin.
Inzwischen geht es bei der variablen Vergütung immer mehr um Beteiligung am Erfolg aber durchaus auch am Risiko. Hier wird eher unterschwellig ein Anreiz gesetzt – nämlich der, als Management und Belegschaft gemeinsam am Strang in die gleiche Richtung zu ziehen, ohne einer Betriebsgemeinschaftsideologie das Wort zu reden.
Suche nach Motivationspunkten
Grundsätzlich macht man es sich zu einfach, wenn man bei der Vergütung von Menschen ein einfaches Reiz-Reaktions-Schema unterstellt. Das individuelle Ziel, an dem ein Teil der Vergütung hängt, die Wertentwicklung des Unternehmens, an der ein weiterer Teil hängt, erzeugen eben nicht zwangsläufig eine konsequente Orientierung auf Ziele und Unternehmenswert. Und selbst wenn diese Orientierung beim Einzelnen erfolgt, muss sich noch nicht zwangsläufig das Verhalten entsprechend ändern.
Und was hieße es konkret, eine “ziel- und wert(steigerungs-)orientierte” Verhaltensänderung zu erzeugen? Andere Verhaltensoptionen wegzulassen? Eingleisig zu werden, wo eine sich disruptiv verändernde Umwelt ständige Anpassung verlangt – wohlgemerkt, nicht im Sinne von Selbstverleugnung. Gerade das Erproben neuer Verhaltensweisen und konkreter Wege zur Zielerreichung steht viel eher im Vordergrund als die konsequente Nicht-Abweichung von einem einmal eingeschlagenen Weg. Agilität bedeutet – kurz gesagt – das Verabschieden einer falsch verstandenen Geradlinigkeit. All dies heißt nicht, unternehmerischen Erfolg und unternehmerisches Risiko in die Vergütung von Führungskräften und Mitarbeitern einzubeziehen – je nach Ebene und Verantwortung in unterschiedlichem Maß.
Zum Autor: Jürgen Niemann ist Geschäftsführer bei dem Startup betterHR. betterHR wurde gegründet, um Kunden effizienter digital zu beraten. 24 Jahre Personalmanagement haben Jürgen Niemann die ganze Bandbreite der Personalarbeit erleben lassen – von der Rekrutierung, der Führungskräfte- und Mitarbeiterentwicklung über das Talentmanagement bis zu den eher schwierigen Themen, wie Restrukturierung und die Trennung von Mitarbeitern.
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