Posten Sie hilfreiche Tipps oder wollen Sie endlich mal Ihre Meinung loswerden? Chat-Foren können eine gute Plattform sein, um Fragen zu stellen und viele Antworten aus einer großen Community zu erhalten. Aber oftmals geht es den Teilnehmern um etwas ganz anderes.

Ich starte den Selbstversuch im privaten Bereich. In einem Mami-Forum poste ich eine Frage: „Baby wacht nachts häufig ein und schläft nur mit Milchflasche wieder ein. Was tun?“ Ich erwarte hilfreiche Tipps aus dem Erfahrungsschatz anderer Mütter. Was hat bei denen schon funktioniert? Was nicht? Was kann ich noch probieren?

Antworten oft wenig hilfreich

Wenn man sich anschaut, wer was in Foren schreibt, lassen sich schnell sechs Typen identifizieren: die Unwissenden, die Richter, die Diskutierer, die Ablenker, die Hilfreichen und die Resignierten. Auch bei meiner Testfrage tippten alle sechs Typen fleißig Antworten. In kaum zwei Stunden kamen über 60 Nachrichten zusammen. Hilfreich waren 59 davon allerdings nicht.

Die sechs Typen

Die Unwissenden: Diese User haben keine Antwort auf die gestellte Frage, aber der Drang, zu antworten, scheint einfach übermächtig. Deshalb schreiben sie Sachen wie: „Weiß ich nicht“; „Das Problem hatte ich noch nie.; „Da kann ich auch nicht helfen“ Oder in meinem Fall: „Mein Kind hat das nie gemacht.“ Das ist für den Fragenden völlig sinnlos, diese Posts können komplett ignoriert werden. Vielleicht gibt es ja bald eine KI, die solche Antworten automatisch löscht. Das wäre wünschenswert.

Die Richter: Diese Gruppe hat auch keine Antwort auf die Frage, aber auf jeden Fall eine Meinung zum Thema. Und zwar eine starke! Die tun sie kund, ohne Rücksicht auf Netikette oder Anstand. Da wird verurteilt, ausgeteilt, beleidigt und gepöbelt. Hilfreich ist auch dieses Verhalten nicht und ärgerlich noch obendrein. Beim Babyfragen-Test kamen Kommentare wie

Die Diskutierer: Die Antworten der Diskutierer scheinen auf den ersten Blick gut und ausführlich zu sein. Endlich mal etwas Substanz, denkt man. Wenn man aufmerksam liest, wird jedoch klar, dass sie keineswegs die Frage beantworten. Sie nehmen sich stattdessen ein Detail der Frage heraus und diskutieren das in epischer Breite. Besonders gefährlich wird es, wenn sich zwei oder mehr Diskutierer in einem Forum treffen. Dann geht es ewig hin und her, in der Regel sinkt das Niveau proportional zur Anzahl der Posts. Bis sich irgendwann der erste Richter einschaltet und so richtig austeilt. Für den Fragenden ist das doppelt ärgerlich. Denn nicht nur, dass seine Frage nicht beantwortet wird, sondern das Forum verliert den roten Faden total und diskutiert am Ende über etwas ganz anders. Keine Chance, das wieder auf die Frage zurück zu bringen. In meinem Versuch sah das dann ab etwa der Hälfte der Antworten so aus:

  • „Wie lange brauchst du denn, bis du die Milch fertig hast? Denn bei meinem Sohn war es ganz entscheidend, innerhalb von nur 30 Sekunden die Milchflasche anzureichen.“
  • „Warum gibt sie denn überhaupt Milch? Ist doch bestimmt Milchpulver. Das ist doch Scheiße, was da alles drin ist (…).“
  • „Lass sie doch Milch geben. Ist doch geprüft und alles. Und das Kind scheint es ja zu mögen.“
  • „Also wie lange dauert es denn nun mit der Flasche? Sie antwortet nicht auf diese Frage. Das ist aber mega wichtig, damit das Kind gar nicht erst richtig wach wird. Ich hatte immer eine Thermoskanne mit warmem Wasser und die vorbereitete Flasche am Bett stehen und (…)“
  • „Wer Fläschchen gibt ist nur zu faul zum Trösten! Und dann noch Milchpulver, da stimmt ich total zu. Das geht gar nicht! Das ist der Sieg der Chemie-Industrie, das würde ich meinem Kind nie geben. Ich habe gestillt bis meine Tochter drei war und es war ganz toll. Ich weiß gar nicht, warum das nicht alle machen. Ist doch das natürlichste von der Welt und überhaupt (…).“

Die Ablenker: Auch die Ablenker antworten auf die Frage, manchmal ist sogar etwas Hilfreiches dabei. Insofern ist das also gar nicht schlecht. Bis dann das Aber kommt. Denn die Ablenker nutzen das Forum geschickt, um eine eigene Frage einzuflechten. Und drückt dabei gern auf die Tränendrüse, um die Relevanz zu erhöhen. Beim Baby-Test wurde das zum Beispiel so gemacht: „Hast du es schon mal mit Tee probiert? Das funktioniert manchmal genauso gut. Immerhin ist dein Kind nicht auf den Schnuller fixiert. Meines nämlich schon. Hat jemand eine Idee, wie ich ihn vom Schnuller wegbringe? Habe schon alles probiert und bin verzweifelt.“ Die Community springt meistens drauf an und stürzt sich munter auf das neue Thema. Nur selten gelingt es dem ursprünglich Fragenden, sein Problem noch einmal vorzubringen und die Aufmerksamkeit der Gruppe wieder darauf zu lenken. Meist geht es komplett unter oder das Forum zerfällt in die zeitgleiche Diskussion von zwei verschiedenen Fragestellungen.

Die Hilfreichen: Auf diese wenigen User hofft man, wenn man eine Frage in ein Forum stellt. Ohne sie könnte man das ganze Format direkt vergessen. Nur hier bekommt man ernst gemeinte, konstruktive Antworten, die in der Regel auf eigenen Erfahrungen basieren. Das Ganze wird zudem in einem angenehmen Ton vorgetragen. „Probiere doch mal, sie im Arm zu beruhigen und dann wieder ins Bett zu legen“; „Bei uns hilft der Schlaftee von DM, dass er gar nicht so oft wach wird“; „Lavendelöl auf die Zehen schmieren, das beruhigt und fördert den Tiefschlaf“. Dazu gibt’s Links oder Verweise auf ähnliche Foren, wo schon gute Tipps gesammelt wurden. So wünscht man sich das.

Die Resignierten: „Da kannst du nichts machen. Es ist, wie es ist.“ Das ist die Standardantwort der Resignierten. Und nicht nur bei Baby-Fragen, diese Nutzer findet man genauso in politischen Foren oder beim Fachaustausch unter Ingenieuren. Irgendwas geht immer nicht, alles schon probiert, lass es einfach.

Mein Fazit

Den Babyfragen-Test habe ich irgendwann abgebrochen. Es kamen einfach zu wenige echte Antworten und ich habe mich zu sehr über abfällige oder inhaltsfremde Kommentare und Diskussionen geärgert. Für mich ist klar: Unstrukturierte und unmoderierte Foren sind schwierig! Wer Foren oder Gruppen-Chats im Unternehmen einführen will, sollte sich vorher überlegen, wie man den Wildwuchs eindämmen kann. Sonst verschreckt man auch den letzten motivierten Teilnehmer nach wenigen Tagen. Wie das funktionieren kann, lesen Sie im zweiten Teil: Vorsicht mit Foren (nächste Woche online! Nicht verpassen!).