Eine Sache ist immer nur so lange exotisch, bis sie normalisiert wird. Das gilt für Veganer genauso wie für Frauen in Führungspositionen. Hat man sich einmal daran gewöhnt, wird es auch nicht mehr in Frage gestellt. Die Veganer scheinen es da allerdings irgendwie einfacher zu haben, als Frauen, die in ihrer Karriere an die Spitze streben. Immer mehr vegane Restaurants sprechen für sich. Uns Frauen begegnet man dagegen immer noch mit einer langen Reihe an Vorurteilen, wenn es darum geht, eine leitende Position zu besetzen. Sei es der “weibliche” Führungsstil, der bemängelt wird, oder die vermeintlich unzureichenden Qualifikationen. Und dann ist da ja noch die Sache mit der Schwangerschaft.

Alles Argumente, die heute keine Daseinsberechtigung mehr haben. Gerade wir jungen Frauen haben traditionelle Rollenbilder schon längst über den Haufen geworfen. Wir bringen eine flexiblere Einstellung zu Familie, Partnerschaft und Beruf mit, als die Generation vor uns. Sollte uns diese dann nicht auch entgegengebracht werden?

Jung, weiblich, gebildet

In Sachen Bildung macht uns Frauen keiner etwas vor. Schon beim Abitur liegen die Mädchen vorne und so geht es weiter. Höhere Abschlüsse und aktive Investitionen in Weiterbildung – auch im Berufsleben – machen uns aus, das gilt für Deutschland, aber auch europaweit. Warum? Vielleicht weil wir als Frauen immer noch wesentlich mehr hineinstecken müssen, um dasselbe herauszubekommen, wie unsere männlichen Kollegen? Je höher man in den Hierarchien schaut, desto weniger Frauen finden sich dort. Tendenziell finden sich Frauen eher in Teilzeitjobs oder einer geringfügigen Tätigkeit wieder als Männer. Noch immer arbeiten wir fast die gesamten ersten drei Monate eines Jahres umsonst. Auch in diesem Jahr fand am 18. März 2019 wieder der Equal Pay Day statt. An unzureichenden Qualifikationen kann es längst nicht mehr liegen, dass Frauen weniger verdienen.

Mädchen in MINT-Fächern

Soziale Berufe sind, trotz ihrer Wichtigkeit für die Gesellschaft, nach wie vor schlecht bezahlt. Gerade in diesem Sektor arbeiten aber vor allem Frauen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn jahrzehntelang ist es Frauen schwer gemacht worden in Berufe einzusteigen, die als offensichtliche Männerdomäne gelten. Schaut man sich an, welche Fächer Studienanfänger*innen heute wählen, ist diese Trennung zwischen “Männer- und Frauenberufen” noch immer sichtbar: Jungs tendieren zu Fächern wie Informatik, Maschinenbau und Elektrotechnik. Mädchen schreiben sich für BWL, Germanistik oder Pädagogik ein.

Natürlich hinterlässt eine jahrzehntelange Doktrin, dass Mädchen in den klassischen MINT-Fächern nicht so gut sind wie Jungs, ihre Spuren. Bis heute gibt es keine biologisch-wissenschaftlichen Anhaltspunkte, dass an dieser Aussage tatsächlich etwas dran ist. Doch Sozialisierung ist ein wichtiger Faktor und lässt sich nicht einfach ausradieren. Umso wichtiger ist die Förderung von Mädchen in Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Denn – seien wir ehrlich – diese sind um Längen besser bezahlt, als soziale Berufe. Eine gleichberechtigte Verteilung der Arbeitsplätze in diesen Berufsbranchen könnte also zu einer Verringerung des Einkommensunterschiedes beitragen. Doch scheint es manchmal so, als würde für Mann noch immer ein Statusverlust mit der Wahl eines sozialen Berufs einhergehen – Sozialisierung umgekehrt! Die Einstellung verändert sich allmählich, die Bezahlung leider nicht.

Wollen Sie Kinder?

Bei einem Vorstellungsgespräch nach der Familienplanung gefragt zu werden, ist verboten. Und doch passiert es ständig – in der Regel uns Frauen, da wir nun mal die Kinder kriegen. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass wir im Falle einer Schwangerschaft sechs Wochen vor dem Geburtstermin und wenigstens acht Wochen danach in Mutterschutz gehen. Daran lässt sich nicht rütteln. Für einen Arbeitgeber bedeutet das natürlich, dass ihm Arbeitskraft verloren geht, die irgendwie ersetzt werden muss.

Warum werden also nicht auch die Männer nach der Familienplanung gefragt? Schließlich gibt es heute die Möglichkeit auch als frischgebackener Vater eine Auszeit vom Beruf zu nehmen, um sich um Haus und Kinder zu kümmern. Immer mehr Väter tun dies auch. Seit der Einführung von Elternzeit und Elterngeld 2007 ist die Väterbeteiligung von drei auf 36 Prozent gestiegen. Durchschnittlich nehmen sie 3,5 Monate in Anspruch. Wer halbwegs gut in Mathe ist, kann sich nun ausrechnen, dass das exakt der Zeit des Mutterschutzes entspricht.

Elternzeit – Auch Männer steigen aus!

Natürlich müssen alle schwangeren Frauen in Mutterschutz gehen, wohingegen längst nicht alle Männer Elternzeit nehmen, doch die Zahlen steigen. Die Skepsis, die uns Frauen in dieser Hinsicht also schon bei der Einstellung und erst recht bei der Besetzung von Führungspositionen entgegengebracht wird, ist mit unserer Einstellung zu Familie und Beruf, unserer Motivation und unserem Ehrgeiz längst nicht mehr vereinbar. Für mich steht eine gleichberechtigte Aufteilung der Elternzeit zwischen mir und einem Partner überhaupt nicht in Frage, denn ich habe berufliche Ziele und will nicht zurückstecken müssen, nur weil Mutter Natur es vorgesehen hat, dass ich die Kinder kriege. So wie ich denken heute viele junge Frauen und fühlen sich von der Frage nach der Familienplanung immer wieder in die Ecke gedrängt. Sie ist überholt und vor allem: Verboten!

30 % – Ist gar nicht mal so viel

Erst – und das muss man sich tatsächlich auf der Zunge zergehen lassen – Erst seit 2006 gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, welches die Benachteiligung aufgrund von Rasse, Ethnie, Religion, Weltanschauung oder Geschlecht verbietet. Zehn weitere Jahre hat es gedauert, bis das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in Kraft getreten ist. Es gilt effektiv für 1800 börsennotierte Unternehmen und gibt eine Frauenquote von 30 Prozent vor. 3500 weitere Unternehmen sind dazu verpflichtet, sich beliebige Zielvorgaben zu setzen. Laut EU-Kommission liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft bei 21,7 Prozent und Deutschland damit auf Rang 9 im europaweiten Vergleich. Und das als Nation, die sich so gerne als Vorreiter porträtiert.

Bei gleicher Qualifikation ist eine Bewerberin einem männlichen Mitstreiter vorzuziehen. Doch wie genau ist “gleiche Qualifikation” definiert? Immer wieder wird eine Frau nur dann eingestellt, wenn sie deutlich höher qualifiziert ist, als ein männlicher Bewerber. Als Begründung für die Absage wird dann gerne angegeben, dass die Bewerberin nicht ins Unternehmen passt. Das hört sich an wie eine billige Ausrede, hat man sich doch an einen bestimmten Zustand gewöhnt – Männer in Führungspositionen – und hält sich auch an diesen, frei nach dem Motto “Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht!”

Unsicherheit, Überschätzung oder aus Erfahrung gelernt?

Immer wieder ist davon die Rede, dass sich viel weniger Frauen auf leitende Positionen bewerben als Männer. Auch bei Bewerbungsgesprächen zeigen Frauen sich weniger selbstbewusst, als das andere Geschlecht. Fängt das schon bei Stellenangeboten an? Schickt Frau ihre Bewerbung gar nicht erst ab, wenn sie die Anforderungen nicht zu 100 Prozent erfüllt und liegt es an einer vermeintlichen weiblichen Unsicherheit, an einer generellen männlichen Überschätzung oder vielmehr dem Wissen, dass wir als Frauen kaum eine Chance auf den Job haben, wenn wir ihn nicht zu 110 Prozent erfüllen?

Persönlich habe ich mir die Prämisse gesetzt, mich auf einen Job zu bewerben, wenn dieser mich anspricht, auch wenn ich nicht alle Anforderungen erfülle, denn ein gutes Stellenangebot sollte mir immer auch die Möglichkeit bieten, etwas Neues zu lernen und mich weiterzubilden. Das sage ich auch einem potenziellen Arbeitgeber.

Vorbilder schaffen für die Zukunft

Wir orientieren uns, an dem was wir sehen, was wir erleben, doch es fehlt an weiblichen Vorbildern in Führungspositionen, die als Idole für junge Mädchen aus zukünftigen Generationen fungieren können. In meinem aktuellen Job befinde ich mich in einem Unternehmen, dessen Frauenanteil insgesamt und vor allem bei der Besetzung von Führungspositionen beispielhaft ist – ein Zustand, der mir bereits innerhalb der ersten Arbeitstage aufgefallen ist und von den Gründern YoungCapitals als Chance und Mehrwert für das Unternehmen betrachtet wird.

Der Normalzustand hingegen sind Männer. Eine Frauenquote zielt darauf ab, diesen Zustand zu ändern, Frauen in Führungspositionen aus der Exotik zu heben. Muss ich mich deshalb als sogenannte Quotenfrau “beschimpfen” lassen? Natürlich nicht, denn ich stehe dem anderen Geschlecht in Sachen Bildung und Qualifikation in nichts nach, bin im Zweifelsfalle bei meiner Einstellung angesichts der bereits beschriebenen Tendenzen sogar besser qualifiziert. Ich weiß, was ich kann und dass ich mich im Bewerbungsverfahren gegen andere hochqualifizierte Kandidat*innen durchgesetzt habe. Ich verdiene meinen Platz. Ich bin Teil eines Prozesses, der es zur Normalität macht, dass auch Frauen leitende Positionen innehaben und werde in zehn oder fünfzehn Jahren Vorbild für ein Mädchen sein, das denselben Weg gehen möchte wie ich. Quotenfrau? Na und? Ich trage diesen Titel mit Stolz!

Lena Bathge

Zur Autorin: Lena Bathge arbeitet als Content Creator für YoungCapital, dem Spezialist für die junge Generation am Arbeitsmarkt. Neben dem Schreiben engagiert sie sich mit einem eigens ins Leben gerufenen Fund für benachteiligte Mädchen in Tansania. Sie studiert Ethnologie und Afrikanistik an der Universität zu Köln.