Wenn ältere Mitarbeiter körperlich nicht mehr können, verlassen sie meist das Unternehmen. Viel zu schade, dachte sich Gerd Duffke, Personaler beim Technologie- und Laserspezialist TRUMPF. Im Projekt Fit for Service zeigt er seinen älteren Servicetechnikern spannende neue Berufswege auf. Bis zur Rente.
Bitte beschreiben Sie kurz das Unternehmen, das Umfeld und die Herausforderung, vor der Sie standen.
TRUMPF ist ein Familienunternehmen mit rund 14.000 Mitarbeitern weltweit. Dabei sind unsere Mitarbeiter die Basis unseres Erfolges: Mit ihrer Qualifikation, Leidenschaft und Motivation bestimmen sie unsere Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit. In unseren Unternehmensgrundsätzen haben wir die Grundlage unseres langfristigen Denkens und Handelns formuliert. Wir sind stolz auf unsere Werte und den Erfolg unseres Geschäftsmodells. Das Wohlbefinden und die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter liegen uns dabei ebenso am Herzen wie ihre Leistungsbereitschaft. Die langfristige Verpflichtung gegenüber unseren Mitarbeitern entspricht unserer Tradition als Familienunternehmen.
Unter dem Motto „Fit for Service“ (F4S) haben wir es uns zum Ziel gemacht, das Potenzial unserer älteren und erfahreneren Mitarbeiter durch lebensphasenorientiertes Kompetenzmanagement und Arbeitsprozessgestaltung in industriellen Dienstleistungsprozessen zu sichern. Gerade im Servicebereich ist es bemerkbar, dass die Mitarbeiter im Schnitt nicht länger als 12 Jahre in ihrem Beruf sind, da es körperlich und psychisch sehr belastend ist. Daher war die Herausforderung, Möglichkeiten zu finden, um diese Mitarbeiter weiter zu beschäftigen und neue Wege mit neuen Aufgaben aufzuzeigen.
Dazu haben sie in einem Verbundprojekt gearbeitet, oder?
Ja, genau. Seit 2014 wurde an dem Konzept zur Förderung einer lebensphasenorientierten Karrieregestaltung im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt EPO-KAD gearbeitet. Das Konzept wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.
Was wollten Sie mit dem Projekt vorrangig erreichen?
Im Fokus steht der Servicebereich, in welchem die Folgen des demografischen Wandels besonders spürbar sind. Die Fluktuation ist dort besonders groß, da die Tätigkeit des Servicetechnikers mit hohen psychischen und physischen Belastungen verbunden ist. Im Schnitt verweilen sie nur ca. 10 – 12 Jahre im Beruf, spätestens dann, wenn körperliche Beeinträchtigungen die Arbeit erschweren. Die meisten sind dann Anfang 40. Die Möglichkeiten einer alternativen Beschäftigung sind innerhalb des Berufsfeldes jedoch häufig begrenzt, weshalb ein Berufs- oder Arbeitgeberwechsel oftmals unvermeidbar ist. Ziel ist es daher, durch eine gruppen- und altersspezifische Arbeitsgestaltung und den erfolgreichen Ausbau von Fähigkeiten die Beschäftigungsfähigkeit dieser Mitarbeiter zu erhalten und innovationsförderliche Kompetenzen aufbauen. So können die Mitarbeiter zum einen an das Unternehmen gebunden und somit ihr Sachverstand und ihre Fähigkeiten erhalten werden. Zum anderen möchte TRUMPF so seinen älteren Mitarbeitern die verdiente Wertschätzung entgegenbringen und ihnen eine altersgerechte Beschäftigung ermöglichen.
Das ist ja ein tolles Beispiel für Demografiemanagement. Und dafür, dass Weiterbildung immer etwas bringt.
Für TRUMPF als Familienunternehmen ist langfristiges Denken und nachhaltiges Handeln besonders wichtig. Bildung wird dabei als relevantester Katalysator für den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt des Unternehmens als auch der Gesellschaft verstanden. Daher investieren wir in diese wichtige Ressource viel Engagement – mit dem Ziel, uns als Unternehmen und unsere Mitarbeiter fit und wettbewerbsfähig für die Zukunft zu machen.
Was wurde bei F4S genau umgesetzt und wie haben Sie das angepackt?
Im Rahmen des Projekts F4S suchte ich nach Beschäftigungsalternativen bzw. Anschlussfähigkeiten, die den Technikern für die neue Lebensphase interessante und altersgerechte Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Hierzu wurden verschiedene servicenahe Tätigkeitsfelder identifiziert, in welchen das wertvolle Erfahrungswissen der älteren Mitarbeiter gewinnbringend genutzt und ihnen gleichzeitig attraktive Entwicklungswege aufgezeigt werden kann.
Das klingt erst einmal super, aber auch nach großem Umqualifizierungsaufwand.
Ja, schon, aber eine solche passende Qualifizierungsstrategie für die Mitarbeiter ist
entscheidend für den Erfolg dieses neuen, altersgerechten Beschäftigungsmodells. Da kommt man nicht drum herum.
Im ersten Schritt wurden dazu funktionsspezifische Profile erhoben und auf Basis des unternehmensspezifischen Kompetenzmodells das Kompetenzprofil für die jeweilige Funktion erstellt. Dieses Profil bestehen aus 15 bis 20 Kompetenzen. Die Basis hierfür bilden Fachkompetenz, Methodenkompetenz, persönliche Kompetenz, ökonomische Kompetenz und Sozialkompetenz. Zunächst wurden aus diesem Katalog diejenigen Kompetenzen gewählt, die für das erfolgreiche Verhalten in der Funktion notwendig sind. Dann wurden die jeweiligen Ausprägungen der Kompetenzen bestimmt. Anschließend haben wir individuell geschaut, was die einzelnen Servicetechniker besonders gut können und auch selbst wollen. Die Zuordnung zur neuen Rolle erfolgt nur nach seinen beruflichen Präferenzen und Wünschen. Parallel hierzu werden die jeweiligen Kompetenzprofile den unterschiedlichen Arbeitspräferenzen zugeordnet, sodass dargelegt werden kann, welche Präferenzen in den jeweiligen Rollen wiederzufinden sind.
Als letzter Schritt erfolgte dann die individuelle Qualifizierung, welche anhand eines im Dialog mit dem Vorgesetzten für jeden Mitarbeiter individuell erstelltem Lernkataloges lief. Hierfür wurde ein zertifizierter Lehrgang entwickelt, der durch die fachliche und überfachliche Weiterbildung auf die neue Rolle im Servicebereich vorbereitet.
Und was machen die ehemaligen Servicetechniker jetzt bei TRUMPF?
Wir haben für sie jetzt vier alternative Tätigkeitsfelder, also neue Rollen: Installationsleiter, Produktionsbegleiter/Applikationsberater, Praxisausbilder und Trainer beim Kunden. Jede dieser Rollen bietet vielfältige Weiterentwicklungs- und Neuorientierungsmöglichkeiten für den Einzelnen. Jeder kann sein bereits bestehendes Potenzial und seine Kompetenzen einbringen, findet aber zugleich auch neue Entwicklungschancen.
Was hat dabei gut funktioniert? Was war schwierig?
Das lebensphasenbezogene Entwicklungskonzept zeigt in der praktischen Umsetzung viele positive Effekte, allem voran natürlich die gestiegene Beschäftigungsfähigkeit der Servicetechniker, die heute deshalb deutlich länger im Betrieb bleiben können. Dieser Aspekt ist zudem Bestandteil des deutlich positiven Business Case, welcher sich durch einen enormen jährlichen Kostenvorteil für TRUMPF auszeichnet. Monetär unberücksichtigt bleiben die Vorteile, die sich aus einer größeren Kundenzufriedenheit, gegebenenfalls geringeren Schadensersatzforderungen und der größeren Mitarbeiterzufriedenheit ergeben könnten.
Wie ist das Konzept bei den Mitarbeitern angekommen?
Wir haben mit ‚Fit for Service‘ bei den beteiligten Servicetechnikern echte Begeisterung ausgelöst und damit auch die Wertschätzung gegenüber ihrer jahrzehntelangen guten Arbeit zum Ausdruck bringen können. Die bereits angesetzte HR-Linienüberführung des Entwicklungskonzeptes soll darüber hinaus schon in einer früheren Lebensphase der Mitarbeiter ansetzen und die dadurch aufgezeigten Aspekte nochmals deutlich verstärken. Auch junge Mitarbeiter sollen wissen, dass sie später noch interessante Perspektiven haben.
Sie hatten ja eingangs schon erwähnt, dass Ihr Ansatz schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Was haben Sie denn schon alles gewonnen?
Den Deutschen Bildungspreises in der Kategorie „Innovation“, den internationalen „European Excellence Award HR“ in der Kategorie „Employee Feedback & Development“. Und wir haben den 3. Platz des „Demographie Excellence Awards“ geholt. Das freut uns natürlich sehr, denn die Auszeichnungen tragen dazu bei, die öffentliche Wahrnehmung zu stärken und optimale Rahmenbedingungen zur Vernetzung zu schaffen. Als zukunftsweisendes Projekt, welches über den Servicebereich auch auf andere Fachbereiche übertragbar ist, kann es so auch andere Unternehmen ein positives Beispiel bieten.
Was würden Sie das nächste Mal noch besser machen?
Das Projekt war ein voller Erfolg, besonders freut es mich, dass es nun als Entwicklungsprogramm, in die Karrierelaufbahn von Servicetechniker, als fester Bestandteil integriert wurde. Manches kann und muss man nicht besser machen.
Vielen Dank, Herr Duffke, für Ihre Einblicke in Fit For Service!
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